Plastikfreie Zone
die Toilette mit sich bringe. Meine Erleichterung, dass sie überhaupt etwas gefunden hat, ist derart überwältigend, dass ich diesen Einwand locker vom Tisch fege: »Ach was, das wird schon gehen. Notfalls müssen wir die Dinger halt auseinanderschneiden.«
Zwei Tage später bin ich bereits stolze Besitzerin eines Kartons mit 25 mal 200 Stück Einmalhandtüchern. Die Anschaffung war mit knapp 20 Euro nicht ganz billig, aber meiner Ansicht nach müssten wir mit dieser Menge mindestens ein halbes Jahr auskommen, eventuell sogar länger. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich diese neue Klopapiervariante bewähren wird und beginne mit Marlenes Hilfe gleich mit dem Zurechtschneiden.
Nachdem wir circa die Hälfte des ersten Stapels fein säuberlich zerschnitten haben, stellt Marlene fest, dass sich die Papiertücher auch problemlos reißen lassen, was den Zeitaufwand für die Aktion deutlich verringert. Das Körbchen, das wir in Zukunft für das Papier verwenden wollen, ist rasch gefüllt und Marlene sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis unserer Arbeit. Als Peter etwas später von der Arbeit heimkommt, empfängt sie ihn strahlend mit den Worten: »Jetzt müssen wir doch keine Blätter sammeln!«
Fast wie in alten Zeiten
Langsam ging es weiter voran. Ein paar der wichtigsten Plastikprobleme waren gelöst, und der Einkauf zumindest der wesentlichsten Dinge funktionierte einigermaßen. Lediglich für meine geliebten Kartoffelchips wollte sich keine plastikfreie Lösung finden. Doch daran sollte es nicht scheitern. Also beschlossen wir irgendwann, mit dem Experiment baldmöglichst richtig zu starten, zumal wir uns nach rund drei Wochen der Vorbereitung eigentlich gut gerüstet und auf die bevorstehende Begegnung mit Werner Boote ausreichend vorbereitet fühlten.
Dann ist es so weit. Da wir das Treffen in Wien mit einem Besuch bei Freunden verbinden wollen, beschließen wir, die Kinder für dieses Wochenende zu Peters Eltern nach Mürzzuschlag, einer kleinen Stadt in der nordöstlichen Steiermark, zu bringen.
Die beiden, die nur grob über unser Vorhaben informiert sind, haben keine wirklich konkrete Vorstellung davon, was wir eigentlich bezwecken, zeigen sich aber wie immer trotz ihres Alters – die Oma ist siebzig, der Opa bereits Mitte achtzig – prinzipiell sehr interessiert und aufgeschlossen für neue Ideen. Bloß übertreiben sollten wir es nicht, meint meine Schwiegermutter. Außerdem, gibt sie zu bedenken, würde es nicht funktionieren, ganz ohne Plastik einzukaufen. »Nicht dass ihr deswegen einen riesigen Stress bekommt«, fügt sie hinzu. Obwohl ich ihr insgeheim recht geben muss – denn schließlich habe ich selbst inzwischen festgestellt, dass Kompromisse notwendig sind –, bricht mein missionarischer Eifer mal wieder durch. »Übertrieben ist, was wir alles täglich einkaufen, nur um es sofort wieder wegzuschmeißen. Wir wollen ja nicht auf das Essen verzichten oder auf irgendetwas, das wir wirklich sonst zum Leben brauchen. Es geht vor allem um diese sinnlosen Verpackungen, damit die mal wegkommen. Und dabei kann man meiner Meinung nach gar nicht übertreiben.«
Meine Schwiegermutter reagiert gelassen: »Hast ja recht. Vieles ist wirklich überflüssig. Ich brauche nur daran zu denken, wie wir eingekauft haben, als ich noch ein Kind war. Da hat es all diese abgepackten Sachen nicht gegeben, und wir sind auch groß geworden.«
»Besser vielleicht als heute, was die Ernährung betrifft«, sage ich und denke an all das Fast-Food-Zeug, von dem sich manche Kinder heutzutage ernähren dürfen oder müssen, oder an die Lebensmittel, die von weiß Gott woher importiert werden, die mit Pestiziden belastet oder gentechnisch verändert sind und die man bestrahlt und aufwendig verpackt, damit sie die langen Transportwege unbeschadet überstehen.
»Ja, wir haben das gegessen, was es in der jeweiligen Jahreszeit bei uns gab, und im Winter eben Gemüse, das man gut lagern konnte. Und Müll ist beim Einkaufen sowieso kaum angefallen. Wir haben immer einen Korb dabeigehabt, und die Verpackungen, wenn überhaupt, bestanden fast ausschließlich aus Papier.«
Wann hat das eigentlich angefangen mit dem vielen Plastik? Ich versuche mich zu erinnern. Meine Oma ist zwar immer mit dem Korb am Arm ins Dorf zum Einkaufen gegangen, aber Joghurtbecher, Margarineschalen, beschichtetes, nicht durchfettendes Einwickelpapier für die Butter und andere Dinge gab es damals schon. Allerdings wurde es mit der Zeit immer ärger
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