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Plastikfreie Zone

Plastikfreie Zone

Titel: Plastikfreie Zone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Krautwaschl
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keinen Plastikmüll. Ich frage mich, ob das vielleicht an der geschützten Lage der Bucht liegt. Oder ist diese kleine Insel tatsächlich aus unerfindlichen Gründen von der Müllflut des Mittelmeers verschont geblieben?
    Sehr bald werden wir eines Besseren belehrt. Als wir nach drei Tagen mit der Erkundung der Insel beginnen, verwandelt sich das vorgebliche Paradies mehr und mehr zur Plastikhölle, und wir gewinnen beinahe den Eindruck, als sei die Schotterbucht lediglich eine Attrappe, um neu ankommende Touristen zum Bleiben zu verleiten.
    Ständig entdecken wir jetzt unvermittelt auftauchende Müllberge und Müllhalden zwischen den unbeschreiblichen Naturschönheiten der Insel. Besonders krass ist eine riesige Deponie kurz vor Komiza, einer kleinen Stadt im Westen, auch sie eingebettet in eine wilde Küstenlandschaft mit Olivenhainen, kleinen Buchten, Steinmauern und azurblauem Meer. Ich stehe diesem Anblick mehr oder weniger fassungslos gegenüber, mache ein paar Fotos, und danach herrscht sogar bei den Kindern eine Zeit lang betretenes Schweigen. Als Peter, der ein wenig Kroatisch spricht, am Abend von unserer Wirtin auch noch erfährt, dass es auf Vis keinerlei Mülltrennung gibt, steht mein Entschluss endgültig fest, auf dieser Insel nichts als den Biomüll zurückzulassen.
    Einige Tage darauf starte ich in der Stiniva-Bucht, einem der bekanntesten und schönsten Flecken der Insel, eine Sammelaktion. Innerhalb von drei bis vier Minuten haben wir einen kleinen Müllberg zusammengetragen, den ich mehrmals von allen Seiten fotografiere, was mir teilweise recht verwunderte Blicke seitens der anderen Badegäste einbringt. Mich selbst irritiert indes sehr viel mehr, dass sich all diese Menschen derartig unbekümmert mitten in den Plastikmüll legen. Kann es sein, dass ihnen das gar nicht mehr auffällt? Ist Plastik schon zu einem integralen Bestandteil dieser Landschaft geworden?
    Ein Bekannter hat unlängst gemeint, dass es für unsere Enkelkinder möglicherweise völlig normal sein werde, auf »Plastikstränden« Urlaub zu machen. Plastik statt Schotter, Sand und Fels – das Bild, das diese Bucht mit ihren Badegästen an diesem Tag bei mir erzeugt, ist nicht weit von einer solchen Zukunftsvision entfernt. Wenn man etwas lange genug ignoriert, wird es irgendwann vermutlich zur Normalität. Vielleicht gelingt es eines Tages sogar, den Menschen durch gezielte Kampagnen einzureden, die bunten »Plastikstrände« seien eine spezielle Art von Recycling, das man ja schon heute gerne als Rechtfertigung für eine unkontrollierte Verwendung von Plastik benutzt. Immer wieder muss ich in diesem Urlaub gegen solch zynische und destruktive Gedanken ankämpfen, und immer wieder steigen in mir ähnliche Gefühle hoch wie nach der missglückten Mülltrennung im Zug nach Amsterdam.
    Den Gipfel des Plastikwahnsinns erleben wir zwei Tage später. Wir wollen uns in der Nähe der Stadt Vis ein altes Haus ansehen, das uns als mögliches Ferienquartier für den nächsten Sommer interessant erscheint. Von Weitem sieht alles perfekt aus. Das Haus, aus Natursteinen gebaut, ist umgeben von Weingärten und steht einsam auf einer Landzunge, rundherum freier Blick aufs Meer, die Hänge mit wildem Rosmarin und Lorbeer bewachsen, die Küste schroff und felsig mit zwei entzückenden kleinen Schotterbuchten. Doch schon auf dem Weg dort hinunter schwant mir Böses. Die bunten Flecken, die ich in einem anfänglichen Anflug von »Nicht-wahrhaben-Wollen« für liegen gebliebene Handtücher gehalten habe, erweisen sich beim Näherkommen als riesige Plastikmüllfelder. Wieder kann ich es nicht lassen, diesen fast schauerlichen Kontrast auf zahlreichen Fotos festzuhalten, womit ich mir bei meiner Familie den Beinamen »Mülljournalistin« einhandle.
    Ich trage es mit Fassung, denn ich betrachte meine Fotodokumentation als wichtigen Akt gegen das Verdrängen. Als Peter und Marlene allerdings ihren Versuch, sich im klaren Wasser der Bucht ein wenig abzukühlen, abbrechen müssen, weil überall winzig kleine Plastikfetzen herumtreiben, kommen mir doch die Tränen. Peter nimmt mir wortlos den Fotoapparat aus der Hand und ruft den Kindern zu, dass es Zeit sei aufzubrechen.
    Immer wieder fällt mir auf, dass hier auf Vis Negatives und Positives oft nah beieinanderliegen, wie das Beispiel der Pfandflaschen im Supermarkt zeigt, wo es Mineralwasser sowohl in Plastik- als auch in Glaspfandflaschen gibt. Oder der Bäcker, der jeden Morgen nach Rucavac kommt, und

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