Platinblondes Dynamit
tränenerstickter Rede. Das Defilee der Trauergäste hatte den offenen Sarg passiert und dann die kleine Kapelle verlassen, sprachlos vor Entsetzen.
Nun, die meisten.
Es war Genoveva, die spargeldürre Gattin von Bürgermeister Asslick gewesen, die „Zu viel Rouge“ geraunt hatte, da war Pussy Cat sich vollkommen sicher. Nun, Genovevas Zukunft beinhaltete eine Stiletto-Punktur eines ihrer immer in viel zu kleine Schuhe gezwängten Füße, da war Pussy sich ebenfalls vollkommen sicher. Mit festem Griff packte sie den Sargrand und zog sich hoch.
Zu viel Rouge! Schon hatte sie ihr Puderdöschen aufgeschnackt und …
Und was ? Windell sprang auf und suchte herum, bis er die Plastiktüte fand, in der Elmo die Perücke mitgebracht hatte. Blond, lang, üppig, lockig. Er probierte sie auf. Ordnete das etwas strohige Haar. Hm.
… und richtete als Erstes ihre vom Liegen etwas außer Form geratene, üppige Lockenpracht. Zu viel Rouge, pah! Doch Genoveva war nicht die einzige Frau in der Stadt mit einer schmerzhaften Zukunft, erinnerte sie sich grimmig. Da war noch eine bestimmte ‚Falsche Polizistin‘, die sich nun, mit Pussy totgeglaubt, in ebenso falscher Sicherheit wog. Entschlossen flankte Pussy über den Sargrand und fluchte, als sich der Rock ihres Kostüms an einem der Tragegriffe verhakte und unvorteilhaft hochrutschte, bis die Front ihres Slips sichtbar wurde. Hastig strich sie den Stoff wieder herunter, über die mächtige Wölbung ihres … ihres … Sie stutzte, zögerte, sah noch einmal nach. Sah wieder hoch und schrie gellend.
„Niemals!“, schrie Windell, sprang auf und gab seinem Papierkorb einen Kick, der ihn quer durch den Raum schickte. „Niemals.“
„Niemals – was?“, fragte Elmo von der Tür her, seine Miene ein Spiegel der Entgeisterung.
Folkmar fuhr herum, doch die Perücke, die er trug und ihm etwas schwer Gewöhnungsbedürftiges gab, fuhr nicht zur Gänze mit, so dass sie nun quer auf seinem Schädel saß.
„Ich werde niemals eine Frau schreiben können!“, brüllte er, speichelblasig und generell schwer außer Fassung.
Elmo war erschüttert. Wenn auch aus anderen Gründen.
Isadora Schuster, um einen, um den wichtigsten zu nennen.
„Ach Unsinn“, widersprach er und wünschte sich, er klänge überzeugender.
Er hatte ihr das Manuskript übergeben und angedeutet, von nun an als Will B. Everhards Agent zu fungieren.
Und sie, Isadora Schuster, hatte ihn über ihre Halbgläser hinweg angesehen, als ob er ihr ein obszönes Angebot gemacht hätte.
Dann – die Frau las in einemTempo, das atemberaubend war – hatte sie ein paar wirklich tiefschürfende Dinge über unbestechliche Luftschiffe fallengelassen.
Elmo hatte selbstredend zugestimmt und sich von da ganz aufs Einschleimen verlegt. Galant, natürlich. Hatte jeden zweiten Satz mit ‚Eine Frau wie Sie‘ begonnen, vielsagend mit seinen Brauen gewedelt, unverhohlen durchblicken lassen, auf Damen mit Erfahrung zu stehen, hatte dann wie selbstverständlich damit begonnen, über das neue Buch vom Leder zu ziehen, das Will B. Everhard in Arbeit hatte.
Frauenroman, Melodram, hochromantisch, hochdramatisch, herzerweichend. Und erst dann, nach all dieser sorgfältigen Anfütterung, war er geschmeidig auf das Thema Vorschuss zu sprechen gekommen.
Die Idee dahinter war natürlich gewesen, der alten Schnalle so viel wie möglich aus dem Kreuz zu leiern, um damit die Zeit zu überbrücken, bis er für Folkmar und seinen – wenn es rechtlich nicht anders ging, ebenumbenannten – Jack Knife einen anderen Verlag gefunden hatte.
Doch er hatte das Wort ‚Vorschuss‘ noch nicht ganz ausgesprochen, und Isadora Schuster war … sie war … über ihn hergefallen. Verbal, rein, ausschließlich verbal. Und trotzdem … Sie hatte ihn angeblafft, angeschnauzt, zurechtgestutzt, beschimpft, verhöhnt, beleidigt, hatte ihn in einem kalten und berechnenden und zutiefst verächtlichen Tonfall zur Sau gemacht.
Und Elmo – er war sich nicht sicher, ob und wem er das jemals würde gestehen können oder wollen – war einer abgegangen. In der Hose, einfach so. Daher seine anhaltende Erschütterung.
Er musste, wurde ihm mit einem Schauder klar, er musste sie wiedersehen.
„Das kann doch nicht so schwer sein“, behauptete er.
Und dazu – es traf ihn wie ein Hammer – brauchte er das Manuskript. Das versprochene, das angepriesene, hochromantisch und alles. Und das auch noch schnell. Denn Isadora hatte selbstverständlich nicht einen einzigen
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