Platinblondes Dynamit
Geräusche aus der Zelle waren befremdlich. Da war erstmal das Klack-klack-klack sich gemessen entfernender Schritte von hochhackigen Schuhen. Sie entfernten sich weiter und weiter. Hastig zog sie einen letzten Knoten fest, ging rüber zur Zellentür. Zögerte. Und wenn das ein Trick war? Sie ließ die Luke noch zu. Legte ein Ohr an den Panzerstahl des Türblatts. Auf der anderen Seite quietschte ein schlecht geöltes Scharnier. Eine Tür fiel hörbar ins Schloss. Stille folgte.
Mit einem Ruck hatte Wanda die Luke offen, starrte durch die Gitterstäbe. Die Zelle dahinter war leer.
„Ja, und jetzt?“, fragte die Brooklyn-Würgerin und sah sich ratlos um.
„Wie – ‚Ja, und jetzt?‘? Was soll das denn heißen?“
„Völlige Idiotie“, fand auch Folkmar. „Los, wir ziehen den Stecker und anschließend schreibe ich den ganzen Text neu. Und zwar alleine.“
Elmo war schon auf den Knien und kam nach kurzem Ächzen mit dem Stecker in der Hand wieder hoch.
Bloß, der Monitor leuchtete, der Rechner summte weiter vor sich hin.
Und das schon bekannte, absolut schauerlich kieksende Lachen ließ das ganze Gebäude zittern.
„Ein Rechnerprogramm mit einem beschissenen Sinn für Humor“, fand Elmo und begann sich das erste Mal zu fragen, worauf sie sich hier eingelassen hatten.
‚NAME/REINSTALL THE PROTAGONIST‘
erschien in Flammenschrift und begann zu blinken, zusammen mit der Zahl 66:59 in einem Rahmen im rechten oberen Eck des Bildschirms und begleitet von einem absolut entnervenden elektronischen Quäken.
„Ja, was soll das denn?“, brüllte Folkmar, außer sich, und entdeckte erst da, dass er die Kontrolle über Maus und Tasten zurück hatte. „Das steht doch wohl außer Frage, wer hier die Protagonistin ist! Und was heißt hier ‚reinstallieren‘?“ Wütend scrollte er hoch. Und stutzte. Da fehlte etwas an Text. Einiges, um ehrlich zu sein.
Hohl und tragisch verhallten die letzten Klöppelschläge der Totenglocke. Said Wainda schluckte und sah woanders hin.Wie alle Männer war er geblendet von fantastischer erotischer Ausstrahlung.
„Hauptsache, du lebst“, fand er, tröstend.
„Wanda Molanski?“, fragte Said, sorgenvoll. „Die Brooklyn-Würgerin?“
Und so ging es weiter. Ein vollkommen sinnlos zusammengestoppelter Text, in dem Pussy Cat nicht die geringste Erwähnung fand. Entschlossen zog er die Seiten ganz herunter, zum Anfang.
Das Böse in Uniform
Von Hermine Inaway
„Sie ist weg“, stellte er fest. „Pussy. Einfach weg. Ich kapiere es nicht. Was soll der Scheiß?“
„Trag sie wieder ein“, riet Elmo.
Folkmar versuchte sich am Titel, doch das Programm verweigerte die Annahme. Gleichzeitig ging das elektronische Quäken weiter. Und das Display zeigte nur noch 66:57 an.
„Versuch mal, den Text zu schließen.“
Folkmar versuchte, der Text schloss, das Quäken erstarb.
Die beiden atmeten auf.
Nur die rückwärts zählende Uhr blieb weiterhin in ihrer rechten oberen Ecke des Bildschirms sichtbar.
„Okay“, resümierte Elmo. „Fakt ist: Deine Hauptfigur, Pussy Cat, ist weg. Verschwunden. So viel wissen wir. Doch – auch auf die Gefahr hin, dass das jetzt bescheuert klingt – aber wo, bitte schön, ist sie hin?“
Pussy Cat schloss die Tür hinter sich. Der weiß gekachelte Toilettenraum war ihr nur zu vertraut, obwohl es sie schon ein wenig irritierte, bis heute nie bemerkt zu haben, dass ihr Wohnhaus quasi Rücken an Rücken mit dem Gebäude der Olde Cologne Bar dastand.
Und dann traf es sie, mit Wucht diesmal: Sie spreizte ihre Finger, starrte. Natürlich war ihr immer bewusst gewesen, roten Nagellack zu tragen. Nur, plötzlich konnte sie es auch sehen . Mit einem Schritt war sie beim Spiegel und hob ihre Rechte auf Höhe ihrer Wange, Nägel nach außen. Und atmete erleichtert auf. Das Rot von Nagellack und Lippenstift harmonierte. Was ihr etwas weniger gefiel, war das Mauve ihres Kostüms. Nicht einhundertprozentig ihre Farbe, musste sie feststellen, doch das wurde, mal ganz ehrlich, aufgewogen vom Platinschimmer ihres Haares. So viel echter, so viel lebendiger als in Schwarz-Weiß.
Beschwingt machte sie sich auf in die Bar. Jetzt ein steifer Drink, dann von irgendwoher eine Schusswaffe aufgetrieben und anschließend würde sie Wanda Molanski auf direktem Weg zur Hölle schicken. Doch erst ein Drink.
Elmo goss den letzten Rest vom Notfall-Whisky in zwei Gläser. Die Stimmung war, alles in allem, etwas gedrückt. Die vollständige Abwesenheit jeglicher
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