Platinblondes Dynamit
verstaute Reifeneisen. „Ich hab dich tatsächlich gerade ‚Herzchen‘ genannt“, bekannte er dann, „ Herzchen. “
Folkmar schlug entnervt mit der Faust auf seinen Schreibtisch. Elektronisches Quäken war alles, was sie erreichten. Said Wainda und Wanda Molanski standen beziehungsweise saßen antriebslos in Pussy Cats Appartement herum und keiner wusste, wie es ohne Pussy weitergehen sollte. „Was mich dabei fast am meisten fuchst“, meinte er, „ist der Umstand, dass ich im Grunde noch total am Anfang stehe, was Pussy Cats Entwicklung angeht. Wenn ich ehrlich bin, erscheint sie mir in ihrem momentanen Stadium noch etwas, tja, burschikos.“
Arthur Knochenmüllers Reifeneisen segelte davon und er schlug seitwärts aus wie das Pendel eines Metronoms, als Pussy ihm mit ihrer Handtasche eine Breitseite gegen den Schädel verpasste. Der sich direkt anschließende Tritt in die Weichteile hob ihm die Füße vom Boden und ließ ihn beim Runterkommen zusammenklappen wie zwei Buchdeckel, doch ein hochgerissenes Knie gegen den Zinken richtete ihn wieder auf und brachte ihn so in die perfekte Stellung für eine wirklich deftige, genau aufs Auge gezielte rechte Gerade.
Barkeeper Ed kam aus dem Hinterzimmer in keiner üblen Laune zum Töten. Diese scheiß Unterbrechung durch Folle Windel hatte ihn die Konzentration und damit – trotz des fantastischen Blatts – das Spiel und damit einen gottverdammten Haufen Kohle gekostet. Einen Riesenhaufen Kohle, um ehrlich zu sein.
„Wo ist er?“, bellte er Lucy an.
Die deutete mit dem Kinn zum großen Fenster der Bar. Ed drehte den Kopf und bekam so gerade noch mit, wie draußen der Trumm von einem Abschleppwagenfahrer schlagartig von der Senkrechten in die Waagerechte wechselte, in der er rücklings den nächsten Blumenkübel ansteuerte, ohne unterwegs auch nur noch einmal den Boden zu berühren.
„Ich brauch was zu trinken.“ Folkmar spürte, wie ihn der Ärger übermannte. Er ärgerte sich maßlos. Erstmal darüber, sich gegenüber seiner Verlegerin nicht durchgesetzt zu haben, dann, dieses verdammte Programm installiert zu haben, und schließlich ärgerte er sich darüber, sich mit diesen beiden Schritten direkt in eine kreative wie finanzielle Sackgasse manövriert zu haben. Trinken, das musste er jetzt. Scheißegal, was. Er stand auf, schnappte sich die rosa Kristallkaraffe, hatte den geschliffenen Stöpsel schon gepackt, als Elmo ihm in den Arm fiel.
„Lass, Folle! Das Zeugs ist irgendeine Medizin, und ich bin mir nicht sicher, wofür oder wogegen. Wenn mich damals mein Arabisch nicht getäuscht hat und heute mein Gedächtnis, hat es entfernt irgendwas mit Hormonen zu tun.Wir wollen doch nicht, dass dir Titten wachsen, oder?“ Und er lachte, wie man so lacht, wenn einen das Gegenüber zeitgleich finster anstarrt.
„Dann gehen wir eben in die Kneipe“, entschied Folkmar.
Ihr Autochen an den Haken zu nehmen! Ihr treues Käferchen!
Pussy hob das Reifeneisen auf und feuerte es in die Heckscheibe des Abschleppwagens, dass es durch die Frontscheibe wieder ins Freie fand.
Dann probierte sie die Bedienungshebel der Hebevorrichtung durch, bis einer ihr Autochen wieder hinab auf seine vier Räder ließ. Zufrieden rauschte sie zurück in die Bar, um ihr Glas auszutrinken und nachzufragen, in welche Richtung die ,Falsche Polizistin‘ entschwunden war.
Die Auskunftsfreude von Ed und Lucy hätte nicht größer sein können.
Der Käfer mit dem Brezelfenster jagte die Straße hinunter und bog schlitternd ums nächste Eck.
„Isch schie weg?“, fragte die reglose Gestalt im Blumenkübel, die offenbar soeben ein bis dahin verborgenesTalent zum Bauchreden an sich entdeckt zu haben glaubte. „Isch schie wirklich weg? Schicher?“
Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass Arthur Knochenmüller eine Frau oder, so gesehen, irgendjemanden mit ‚Herzchen‘ angesprochen hatte.
„‚Selbstmord‘? ‚Aus niederen Beweggründen‘? Dieser selbst ernannte Hobbydetektiv stößt einfach eine Frau aus einem Fenster im vierzehnten Stock, und diese Nulpe von Chief Inspector McIntyme geht hin und küsst ihm auch noch den Arsch dafür!“
„Führen Sie wieder Selbstgespräche, Meckenheim?“, kam es knarzend aus dem Lautsprecher hoch über seinem Schreibtisch.
„Nein, ich probe für mein Seminar zum Thema ,Permanente Realitätsferne in der Kriminalliteratur‘.“ Kriminalkommissar Emil Meckenheim hatte es schon lange aufgegeben, seine solitären Gedankenäußerungen als
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