Platinblondes Dynamit
Ausland. Sie reichte die geforderte Summe rüber, sagte „Stimmt so“ und schnappte sich ihre Tüten.
„Ey, Momente“, forderte die Bedienung und wedelte mit den Scheinen. „Was iste das?“
Die arme Einwanderin musste so frisch vom Boot sein, dass sie bisher noch nicht mal Dollars zu Gesicht bekommen hatte.
„Ja, wie denn?!“, brüllte Windell Kilius/Bäumler erst ins eine, dann ins andere Gesicht. Man pirouettierte mal wieder. „Sie haben gut reden: ‚Bring Pussy zurück in den Roman und schreib ein Happy End.‘ Wie denn?“
Wollte er hier enden? Im Irrenhaus? Getrieben von wachsender klaustrophober Panik rannte Windell hin und her durch den Kreuzgang, rappelte an den Türen. Abgeschlossen, eine wie die andere. „Dazu muss ich erstmal hier raus!“
Wie viel, versuchte er sich wieder und wieder zu erinnern, wie viel hatte die verdammte rückwärts laufende Uhr beim letzten Draufschauen noch angezeigt? Und wie viel Zeit war seither vergangen? Zeit, kostbare Zeit? Während er sich in aller Ruhe, Länge und Breite erst mit einem Bullen, dann einer Irrenärztin und schließlich mit einem durchgeknallten Insassen unterhalten hatte?
„Ich muss hier raus!“ Windell konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken, als er, die Hände gegen das Panzerglas gepresst, durch die Tür hinausblickte in die Weite, die schier grenzenlose Weite der spätsommerlichen Landschaft Dollendorfs.
„Hat er nicht gesagt, er wäre Schriftsteller?“, fragte die Puppe mit ihrer kieksenden Stimme.
Kilius/Bäumler brummte zustimmend.
„Müsste er da nicht lesen können?“
Schweigen. Lastendes, vielsagendes, abwartendes Schweigen.
Windell machte einen Schritt zurück. Quer über die Tür lief auf halber Höhe ein mit Scharnieren an beiden Enden verbundener Stahlgriff. Aufgeklebt auf den Griff war ein mehrsprachiger Warnhinweis. In Rot.
TÜR GESCHLOSSEN HALTEN
stand da. Und
HEBEL NUR IM NOTFALL BETÄTIGEN
stand darunter.
Pussys Magen knurrte. Er knurrte wie eine Bulldogge, der man ihren Knochen wegnehmen will.
Doch Klaus-Jürgen Klusenhoff, Franchise-Partner der Kette und Geschäftsführer der Filiale, war taub für solche Subtilitäten. Er bestand auf Herausgabe dessen, was bis zum Zeitpunkt der Bezahlung einwandfrei weiterhin seine Ware war, und zwar unnachgiebig. Zumindest, bis ihn ein leichter Nasenstüber rücklings über mehrere Tische und Bänke schickte.
„Nichts wert!“, bellte ihm Pussy hinterher. „Mein Geld und nichts wert! Für Sie vielleicht nicht, aber für mich, die ich hart dafür gearbeitet habe, allemal!“
Wütend, nein, eher entrüstet, und durchaus würdevoll, stapfte sie dem Ausgang zu.
Der Wachmann hörte den Durchruf in seinem Headset. „Zielperson im Blick, over“, antwortete er und baute sich breitbeinig auf, lockerte die Muskulatur ein wenig für die feiste Transe, die da ohne zu bezahlen abhauen zu können glaubte. Er grinste dünn. Auf Anraten seines Bewährungshelfers hatte er sein Haar wieder über sein Hakenkreuz-Tattoo an der Schläfe wachsen lassen, doch ließ das seine innere Haltung natürlich unberührt. Würde ihn gar nicht wundern, dachte er und streifte verstohlen einen Schlagring über, wenn die blonde Schwuchtel im Begriff wäre, mitten rein in einen kompletten Satz neuer Schneidezähne zu rennen.
„Einsatz, Meckenheim!“
Er fuhr hoch.
„Randale bei McDonald’s. Ganz Ihre Kragenweite.“ Hatte er geschlafen?
„Und Sie werden überrascht sein, auf wen die Personenbeschreibung passt. Wie die Faust aufs Auge.“
Er hatte geschlafen. Doch jetzt war er wieder wach. Und der Horror ging weiter.
„Auf Ihren Spezi, wie heißt er noch gleich? Windel, genau. Folkmar Windel.“
„Win dell “, sagte Meckenheim, eigentlich gegen seinen Willen, „und er ist nicht mein Spezi. Davon abgesehen sitzt er in der Forensik in Dollendorf.“ Doch wer randaliert dann bei McDonald’s?, schoss ihm durch den Kopf. Oh, nein, dachte er, als ihm die Antwort dämmerte. Oh nein, nein, nein.
„ Saß , Meckenheim. Vergangenheitsform.“
„Wie – saß ? Wie – Vergangenheitsform?“
„Ausgebüchst, Ihr Mann. Flüchtig. Sie sind mal wieder nicht richtig auf dem Laufenden, was?“
Pussy verlangsamte das Tempo ihrer Schritte. Es gab überhaupt keinen Grund zu flüchten. Schließlich hatte sie bezahlt. Der Rest war nicht ihr Problem. Mit gekonntem Hüftschwung trat sie aus der Tür und lächelte den leider ein bisschen zum Fettansatz neigenden Wachmann gewinnend an.
Der blickte
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