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Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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dauerte ein paar Minuten, anschließend ging sie. Auch diesmal war es so; aber als er sich einen weiteren Cognac einschenkte, stellte er fest, daß er nicht zugehört hatte. »Mein Vater ist gestorben...«, sagte er und wurde sich auf einmal wieder dessen bewußt. Eucharistie hielt schlagartig inne, blickte ihn zögernd an; sie wußte nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte, aber ganz offensichtlich war es ihm gelungen, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Meine Eltern haben keine sehr glückliche Ehe geführt...«, fuhr er fort, und diese Feststellung machte das Ganze noch schlimmer: Sie schien sein Dasein in Frage zu stellen, ihm in gewisser Weise das Recht zu leben abzusprechen. Er war die Frucht einer unglücklichen, verpfuschten Ehe, das Resultat von etwas, was es besser nicht gegeben hätte. Er blickte sich besorgt um: Spätestens in ein paar Monaten würde er aus dieser Wohnung ausziehen, würde er diese Vorhänge und diese Möbel nicht mehr sehen, alles schien sich schon aufzulösen, seine Festigkeit zu verlieren. Er hätte im Ausstellungsraum eines Warenhauses nach Geschäftsschluß sein können ; oder im Foto eines Katalogs, also in irgend etwas, das sowieso keine richtige Existenz besaß. Er stand taumelnd auf, ging auf Eucharistie zu und drückte den Körper des Mädchens mit Gewalt an sich. Er schob die Hand unter ihren Pullover: Ihr Fleisch war lebendig, real. Plötzlich wurde er sich der Situation wieder bewußt und hielt verlegen inne. Da wehrte sie sich auch nicht mehr. Er blickte ihr fest in die Augen, küßte sie dann auf den Mund. Sie erwiderte seinen Kuß, drückte ihre Zunge gegen seine. Er schob die Hand höher unter ihren Pullover, bis zu ihren Brüsten.
        Sie schliefen wortlos miteinander; sie hatte sich schnell ausgezogen und sich dann im Schlafzimmer aufs Bett gehockt, damit er sie nehmen konnte. Auch nach dem Orgasmus verharrten sie noch ein paar Minuten schweigend und vermieden es anschließend, auf das Thema zurückzukommen. Sie erzählte ihm noch einmal, wie der Tag verlaufen war und was sie mit den Kindern unternommen hatte; dann sagte sie ihm, daß sie nicht dort schlafen könne.
        In den folgenden Wochen taten sie es noch mehrmals, in Wirklichkeit jedesmal, wenn sie da war. Er rechnete mehr oder weniger damit, daß sie das Problem der Legitimität ihrer Beziehung ansprechen würde: Schließlich war sie erst fünfzehn und er fünfunddreißig; er hätte zur Not ihr Vater sein können. Aber sie schien überhaupt nicht vorzuhaben, die Dinge unter diesem Blickwinkel zu betrachten : unter welchem Blickwinkel dann? Es wurde ihm schließlich in einer Aufwallung von Rührung und Dankbarkeit klar: entscheidend für sie war ganz einfach die Lust. Durch seine Ehe war er offensichtlich etwas weltfremd geworden, hatte den Kontakt verloren. Er hatte ganz einfach vergessen, daß manche Frauen in manchen Situationen aus reiner Lust mit einem Mann schlafen. Er war nicht der erste, mit dem Eucharistie ins Bett gegangen war, sie hatte schon im letzten Jahr mit einem Jungen geschlafen, einem Typen aus der dreizehnten Klasse, den sie anschließend aus den Augen verloren hatte; aber es gab Dinge, die sie nicht kannte, zum Beispiel oralen Sex. Beim ersten Mal hielt er sich zurück, zögerte, in ihrem Mund zu ejakulieren; aber sehr bald stellte er fest, daß sie das gern mochte oder eher, daß es ihr Spaß machte, zu spüren, wie sein Samen hervorspritzte. Er hatte im allgemeinen keinerlei Schwierigkeiten, sie zum Orgasmus zu bringen; er empfand seinerseits eine große Sinnenfreude, diesen festen, geschmeidigen Körper in den Armen zu halten. Sie war intelligent und neugierig, sie interessierte sich für seine Arbeit und stellte ihm viele Fragen: Sie besaß in etwa all das, was Audrey fehlte. Die Unternehmenswelt war für sie ein unbekanntes, exotisches Universum, dessen Bräuche sie kennenlernen wollte ; all diese Fragen hätte sie nicht an ihren Vater gerichtet - der ihr darauf sowieso nicht hätte antworten können, er arbeitete in einem staatlichen Krankenhaus. Im ganzen genommen war ihre Beziehung, wie er sich mit dem seltsamen Eindruck der Relativität aller Dinge sagte, ziemlich ausgeglichen. Immerhin hatte er Glück gehabt, daß sein erstes Kind kein Mädchen gewesen war; er konnte sich nur schwer vorstellen, wie und vor allem warum man unter manchen Umständen den Inzest vermeiden sollte.
        Drei Wochen nachdem sie zum erstenmal miteinander geschlafen hatten, kündigte

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