Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plattform

Plattform

Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
Vom Netzwerk:
Landzunge, stellte den Motor ab, und das Boot glitt aus eigener Kraft in eine kleine runde Bucht, die sich inmitten der mit Dschungel bewachsenen Felsen öffnete. Das klare grüne Wasser schlug mit sanften Wellen auf einen fast unwirklich erscheinenden Strand
    mit völlig weißem Sand. Vor den ersten Hängen konnte man mitten im Wald auf Pfählen errichtete hölzerne Bungalows mit Palmdächern erkennen. In der Gruppe wurde es eine Weile still. »Das Paradies auf Erden ...«, sagte Sylvie mit vor aufrichtiger Regung zugeschnürter Kehle leise. Das war kaum übertrieben. Allerdings war sie nicht Eva. Genausowenig wie ich Adam.
        Die Mitglieder der Gruppe standen nacheinander auf und stiegen über den Bootsrand ins Wasser. Ich half Josette, zu ihrem Mann hinunterzusteigen. Sie hatte ihren Rock bis zur Taille gerafft und konnte sich nur mit Mühe aufrichten, aber sie war entzückt, nieste vor Begeisterung. Ich blickte mich um; auf das Ruder gestützt, wartete der thailändische Seemann darauf, daß alle Passagiere ausstiegen. Valérie hatte die Hände auf den Knien verschränkt, warf mir einen verschämten Blick zu und lächelte verlegen. »Ich habe vergessen, meinen Badeanzug anzuziehen ...«, sagte sie schließlich. Ich hob langsam die Hände, um ihr anzudeuten, daß ich mich dafür nicht zuständig fühlte. »Ich kann ja schon mal gehen ...«, sagte ich dümmlich. Sie biß sich vor Verärgerung auf die Lippen, stand auf und zog mit einem Ruck ihre lange Hose aus. Sie trug darunter ein Höschen aus sehr feiner Spitze, das überhaupt nicht zum Gruppengeist dieser Expedition paßte. Ihr Schamhaar schaute auf beiden Seiten daraus hervor, es war ziemlich dicht und kohlschwarz. Ich wandte den Kopf nicht ab, das wäre blöd gewesen, aber mein Blick war auch nicht zu aufdringlich. Ich stieg links aus dem Boot und reichte ihr die Hand, um ihr zu helfen; dann sprang auch sie aus dem Boot. Uns stand das Wasser bis zur Taille.

    Bevor Valérie an den Strand ging, betrachtete sie noch einmal die Muschelketten, die für ihre Nichten bestimmt waren. Ihr Bruder hatte gleich nach dem Studium eine Stelle als Diplomingenieur in der Forschung bei Elf bekommen. Nach einer mehrmonatigen firmeninternen Ausbildung ging er nach Venezuela sein erster Auftrag. Ein Jahr später heiratete er ein einheimisches Mädchen. Valérie hatte den Eindruck, daß er zuvor kaum sexuelle Erfahrungen gemacht hatte; auf jeden Fall hatte er nie ein Mädchen mit nach Hause gebracht. Bei den jungen Männern, die ein Ingenieurstudium absolvieren, ist das oft der Fall, sie haben keine Zeit, auszugehen und eine Freundin kennenzulernen. Sie verbringen ihre Freizeit mit harmlosen Vergnügen, wie zum Beispiel klugen Rollenspielen oder Schachpartien im Internet. Sie legen ihr Diplom ab, finden ihre erste Anstellung und entdecken alles auf einmal: das Geld, die berufliche Verantwortung, Sex. Wenn sie eine Stelle in einem tropischen Land antreten, können sie nur selten der Versuchung widerstehen. Bertrand hatte eine Mulattin mit wunderschönem Körper geheiratet; schon mehrmals hatte Valérie, als sie bei ihren Eltern in Saint-Quay-Portrieux die Ferien verbrachten, am Strand plötzlich ein heftiges Begehren für ihre Schwägerin empfunden. Es fiel ihr schwer, sich ihren Bruder beim Liebesspiel vorzustellen. Dabei hatten sie inzwischen zwei Kinder und schienen ein glückliches Paar zu sein. Es war nicht schwer, ein Geschenk für Juana zu kaufen: Sie liebte Schmuck, und die hellen Steine kamen auf ihrer braunen Haut herrlich zur Geltung. Für Bertrand dagegen hatte Valérie nichts gefunden. Wenn die Männer keine Laster haben, sagte sie sich, ist es schwer zu erraten, was ihnen eine Freude machen kann.

    Ich blätterte gerade die Phuket Weekly durch, die ich in einem Salon des Hotels gefunden hatte, als ich Valérie am Strand entlanggehen sah. Ein Stückchen weiter war eine Gruppe von Deutschen, die nackt badeten. Sie zögerte einen Augenblick, dann kam sie auf mich zu. Die Sonne blendete stark; es war gegen Mittag. Irgendwie mußte es mir gelingen, das Spiel mitzumachen. Babette und Léa gingen an uns vorbei; sie trugen beide eine Tasche über der Schulter, ansonsten waren sie völlig nackt. Ich nahm es zur Kenntnis, ohne zu reagieren. Valérie dagegen blickte ihnen lange neugierig und ungeniert nach. Sie ließen sich in der Nähe der Deutschen nieder. »Ich glaube, ich gehe erst mal schwimmen ...«, sagte ich. »Ich gehe später ...«, erwiderte sie. Ich lief ohne

Weitere Kostenlose Bücher