Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
Gedanken darum zu machen, warum er hier war.
Außerhalb der Reichweite des Wolfes duckte ich mich zwischen den Trollbeinen hindurch, drehte mich um und durchtrennte die dicken Sehnen an der Rückseite der Knie. Mit einem Schmerzensschrei bemerkte der Troll, wie seine Beine nachgaben. Während er fiel, sprang ich auf seinen Rücken – ähnlich wie Puck es getan hatte. Aber diesmal hob ich mein Schwert und rammte es genau zwischen den beiden Hörnern bis zum Anschlag in seinen Schädel.
Ein Schaudern lief durch den riesigen Körper. Dann versteifte er sich und die Haut wurde grau und hart. Ich riss meine Waffe los und sprang gerade noch rechtzeitig von seinem Rücken, bevor der Troll sich wie ein riesiges Insekt oder eine Spinne zusammenrollte und zu Stein wurde. Wenige Sekunden später lag am Rand des Dorfes nur noch ein trollförmiger Felsblock im Schlamm.
Neben mir ertönte ein raues Lachen. »Nicht schlecht, kleiner Prinz, nicht schlecht.«
Ganz langsam drehte ich mich um und umklammerte meine Waffe, bereit, meine Magie in einem gewaltigen, wilden Stoß zu entfesseln. Nur wenige Meter entfernt starrte mir der gigantische Wolf aller Mythen entgegen – seine Augen leuchteten im Halbdunkel gelblich-grün und seine Lefzen waren zu einem bösartigen Grinsen verzogen, das seine gewaltigen Fänge entblößte.
»Hallo, Prinz«, knurrte der Große Böse Wolf. »Ich hatte es ja gesagt: Bei unserer nächsten Begegnung wirst du mich nicht einmal kommen sehen.«
Ich behielt den Wolf fest im Visier, als er anfing, mich zu umkreisen, mit noch immer gefletschten Zähnen und riesigen Pfoten, die tief im Schlamm versanken. Um mich herum und in meinem Inneren flackerte der kalte, tödliche Schein, bereit, entfesselt zu werden. Ich durfte nichts zurückhalten, nicht bei ihm. Das hier war wahrscheinlich das gefährlichste und älteste Wesen, das je die Wildnis des Nimmernie durchstreift hatte. Die Geschichten über ihn waren zahlreicher als alle Mythen und Legenden, die je erzählt wurden, und seine Macht wuchs mit jeder Neuerzählung, jeder düsteren Warnung und jedem Märchen, in dem sein Name auch nur geflüstert wurde. All diese Geschichten waren aus der Angst geboren; er war der unübertreffliche Schurke, die Kreatur, vor der alte Witwen ihre Kinder warnten, ein Monster, das kleine Mädchen verschlang und ohne jeden Grund ganze Herden abschlachtete. Seine Brüder in der Welt der Sterblichen hatten furchtbar unter den Ängsten zu leiden, die ihn hervorgebracht hatten – sie wurden erschossen, in Fallen gelockt und im großen Stil massakriert –, aber mit jedem toten Wolf wuchsen ihre Ängste und seine Macht.
Der unsterbliche Große Böse Wolf. Meghan und ich waren ihm schon einmal begegnet, und damals war es ihm fast gelungen, mich zu töten.
Das würde mir nicht noch einmal passieren.
»Leg das Stöckchen weg.« In der tiefen, kehligen Stimme des Wolfs schwang Belustigung mit. »Hätte ich deinen Tod gewollt, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, deinen erbärmlichen Hintern vor dem Sumpftroll zu retten. Das soll nicht heißen, dass ich dich nicht irgendwann töten werde, aber dann wird dein lächerliches kleines Spielzeug mich sicher nicht aufhalten, also kannst du dich auch ebenso gut zivilisiert benehmen.«
Ich behielt das Schwert in der Hand, was den Wolf sichtlich ärgerte, aber ich würde bestimmt nicht kampflos untergehen. »Was willst du?«, fragte ich betont höflich, ließ den Wolf aber gleichzeitig wissen, dass ich mich verteidigen würde, falls es nötig wurde. Ich würde überleben. Es war vollkommen egal, dass der Wolf unsterblich war. Und es war auch egal, dass er mich bei unserer letzten Begegnung fast umgebracht hätte. Sollte es zum Kampf kommen, war ich fest entschlossen, ihn zu gewinnen, egal mit welchen Mitteln. Ganz sicher würde ich nicht am Ufer eines tristen Sees sterben, zerfetzt vom Großen Bösen Wolf. Ich würde diese Begegnung überleben und weitermachen. Meghan wartete auf mich.
Der Wolf lächelte. »Mab hat mich zu dir geschickt«, erklärte er fast schon schnurrend.
Mein Gesicht blieb vollkommen ausdruckslos, aber eine eisige Faust umklammerte meine Eingeweide und drückte zu. Es war weniger die Überraschung oder Angst, sondern das Wissen, dass die Winterkönigin meiner nun endgültig überdrüssig geworden war – ein Schicksal, das jedem ihrer Untertanen drohte. Vielleicht hatte meine Weigerung, an den Hof zurückzukehren, sie beleidigt. Oder sie hatte beschlossen, dass ein
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