Plötzlich Fee Bd. 3 Herbstnacht
immer wieder jemanden auf den Hals hetzen und meine Familie wird zwischen die Fronten geraten. Ich kann das nicht zulassen. Ich … ich muss verschwinden. Sofort.«
»Wo willst du denn hin?« Ashs ruhige Stimme drang durch meine Verzweiflung. »Wir können nicht ins Feenreich zurück und die Eisernen Feen sind in der Welt der Sterblichen überall.«
»Ich weiß es nicht.« Ich schlug die Hände vors Gesicht. Ich wusste nur, dass ich nicht bei meiner Familie sein, nicht nach Hause gehen und ein normales Leben führen konnte. Erst wenn der falsche König aufhörte, nach mir zu suchen, oder überraschend umkippte und starb.
Oder ich umkippte und starb. »Das spielt doch jetzt keine Rolle, oder?«, stöhnte ich zwischen den Fingern hindurch. »Egal, wohin ich gehe, sie werden mir ja sowieso folgen.«
Starke Finger schlossen sich um meine Handgelenke und zogen sanft meine Hände von meinem Gesicht. Zitternd sah ich in seine strahlenden Silberaugen.
»Ich werde weiter für dich kämpfen«, erklärte Ash mit leiser, fester Stimme. »Tu, was du tun musst. Ich werde da sein, ganz egal, wie du dich entscheidest. Ob es ein Jahr dauert oder tausend – ich werde dafür sorgen, dass du in Sicherheit bist.«
Mein Herz klopfte wie wild. Ash ließ meine Handgelenke los, strich mit den Händen über meine Arme und zog mich an sich. Ich versank in seiner Umarmung und vergrub mein Gesicht an seiner Brust, benutzte ihn als Schild gegen die Enttäuschung und die Trauer, gegen das Wissen, dass meine Wanderjahre noch nicht vorbei waren. Mein Entschluss stand mir ganz klar vor Augen: Wenn ich wollte, dass diese endlose Flucht und die ewigen Kämpfe ein Ende fanden, würde ich mich mit dem Eisernen König auseinandersetzen müssen. Wieder einmal.
Ich schaute auf und sah zu der Stelle, wo die letzte Eiserne Fee gefallen war, auf die funkelnden Metallsplitter im Gras. Der Gedanke, dass solche Monster sich in mein Zimmer schleichen oder ihre mörderischen Blicke auf Ethan oder meine Mom richten könnten, ließ mich zittern vor Wut. Also gut, dachte ich und krallte meine Fäuste in Ashs Hemd. Der falsche König will Krieg? Den kann er haben.
Ich war noch nicht so weit. Erst musste ich stärker werden. Ich musste lernen, meine Magie zu kontrollieren, sowohl die Sommermagie als auch den Eisernen Schein, falls es überhaupt möglich war, beides zu beherrschen. Und dazu brauchte ich Zeit. Ich brauchte einen Platz, an den mir die Eisernen Feen nicht folgen konnten. Und ich kannte nur einen einzigen sicheren Ort, an dem die Diener des falschen Königs mich niemals finden würden.
Ash musste gespürt haben, dass ich einen Entschluss gefasst hatte. »Wohin werden wir gehen?«, murmelte er mit den Lippen in meinen Haaren.
Ich holte tief Luft und lehnte mich zurück, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Zu Leanansidhe.«
Überraschung und ein Hauch von Beunruhigung huschten über sein Gesicht. »Die Königin der Exilanten? Bist du sicher, dass sie uns helfen wird?«
Nein, war ich nicht. Die Königin der Exilanten – wie sie unter anderem genannt wurde – war launisch, unberechenbar und offen gesagt ziemlich Furcht einflößend. Aber sie hatte mir schon einmal geholfen und ihr Heim im Zwischenraum, also dem Schleier, der die Welt der Sterblichen vom Feenreich trennte, war der einzige annähernd sichere Hafen für uns.
Außerdem hatte ich mit Leanansidhe noch eine Rechnung offen und einige Fragen, die sie mir beantworten sollte.
Ash beobachtete mich immer noch besorgt.
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich ihm wahrheitsgemäß. »Aber mir fällt sonst niemand ein, der uns helfen könnte, und sie hasst die Eisernen Feen abgrundtief. Außerdem ist sie nun einmal die Königin der Exilanten. Und zu denen gehören wir schließlich auch, oder?«
»Wem sagst du das.« Ash verschränkte die Arme und lehnte sich gegen einen Baum. »Ich hatte bisher noch nicht das Vergnügen, sie kennenzulernen. Doch ich habe einiges über sie gehört. Und das war ziemlich Furcht einflößend.« Auf seiner Stirn erschien eine winzige Falte, dann seufzte er. »Das Ganze wird wahnsinnig gefährlich werden, oder?«
»Wahrscheinlich schon.«
Ein klägliches Lächeln umspielte seine Lippen. »Wohin zuerst?«
Mein Magen zog sich zusammen, doch ich war fest entschlossen. Ich schaute zurück auf mein Heim und meine Familie, die so verdammt nah waren, und schluckte schwer. Noch nicht, aber bald, versprach ich ihnen in Gedanken. Bald werden wir uns wiedersehen
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