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Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)

Titel: Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Etgar Keret
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auf die Unterlippe und sagte dann:
    »Wenn Sie sich noch einmal mit ihr treffen, bringe ich Sie um. Ich scherze nicht mit Ihnen, das wissen Sie.«
    »Dann bringen Sie mich eben um«, zuckte Miron die Achseln, »das macht mir keine Angst. Am Ende sterben wir alle.«
    Der Ehemann erhob sich halb über den Tisch und landete einen Faustschlag in Mirons Gesicht. Das war das erste Mal in seinem Leben, dass ihn jemand mit solcher Brutalität schlug, und Miron spürte einen scharfen, heißen Schmerz, der irgendwo in der Mitte des Gesichts anfing und sich nach allen Richtungen ausbreitete. Innerhalb einer Sekunde fand er sich auf dem Boden wieder, während der Ehemann über ihm stand. »Ich bring sie weg«, schrie der Ehemann und trat Miron in die Rippen und den Bauch, »ich bring sie weg von hier in ein anderes Land, und Sie werden nicht wissen, wohin. Sie werden sie nie mehr sehen, hören Sie? Sie mieses Stück Aas!« Zwei Kellner stürzten sich auf den Ehemann, und irgendwie gelang es ihnen, ihn von Miron wegzuzerren. Jemand schrie dem Barmann zu, er solle die Polizei alarmieren. Während seine Wange noch den kühlen Boden berührte, sah Miron, wie sich der Ehemann im Laufschritt aus dem Café entfernte. Einer der Kellner beugte sich hinunter und fragte, ob alles in Ordnung sei mit ihm, und Miron versuchte zu antworten.
    »Möchten Sie, dass ich eine Ambulanz rufe?«, fragte der Kellner. Miron flüsterte, nein. »Sind Sie sicher?«, beharrte der Keller. »Ihnen läuft Blut aus der Nase.« Miron nickte langsam und schloss die Augen. Er versuchte mit aller Macht, sich selbst mit dieser Frau vorzustellen, die er nie mehr wiedersehen würde. Er versuchte es, und für einen Augenblick gelang es ihm auch fast. Sein ganzer Körper schmerzte. Er fühlte sich lebendig.

Ein Team
    Mein Sohn möchte, dass ich sie töte. Er ist noch klein, weshalb er noch nicht so richtig weiß, wie er das sagen soll, aber ich kriege genau mit, was er meint. »Will, dass Papa sie ganz fest haut«, sagt er.
    »So fest, dass sie weint?«, frage ich ihn.
    »Nein«, er schüttelt heftig seinen Kopf, »fester.« Er ist nicht gewalttätig, mein Sohn, er ist schon fast viereinhalb, und ich kann mich nicht erinnern, dass er mich jemals in seinem Leben gebeten hätte zuzuschlagen. Er ist auch nicht so einer, der einfach bloß so um Dinge bittet, egal, ob es ein Eis oder eine Dora-Kindergartentasche ist. Er bittet nur um etwas, wenn er das Gefühl hat, er muss. Nur wenn es wirklich verdient ist. Wie sein Vater. Und falls ich mir erlauben darf, die Wahrheit zu sagen – nicht wie seine Mutter. Wenn sie mit Tränen in den Augen und irgendeiner Story von einem, der sie unterwegs verflucht oder mit dem Wechselgeld beschissen hatte, heimkam, habe ich sie immer gebeten, alles, was passiert war, drei- bis viermal zu wiederholen, stellte Fragen, forschte bis in die allerkleinsten Einzelheiten nach. Und in neunzig Prozent der Fälle stellte sich am Schluss heraus, dass eigentlich sie schuld war. Dass der eine auf der Straße sie zu Recht beschimpft hatte, und der mit dem Wechselgeld ihr bloß die Mehrwertsteuer draufgeschlagen hatte. Aber mein kleiner Roi ist da nicht wie sie. Wenn er seinen Vater darum bittet, sie fester zu hauen, als sie zum Weinen bringt, dann weiß ich, da ist was.
    »Was hat sie dir getan?«, frage ich. »Hat sie dich gehauen?«
    »Nein«, sagt mein kleiner Roi, »aber wenn Mama und Amram fortgehen, und sie kommt, um auf mich aufzupassen, dann macht sie die Tür vom Zimmer mit einem Schlüssel zu und lässt mich drin im Dunkeln. Und sie macht nicht auf, auch wenn ich weine und verspreche, ganz brav zu sein.« Ich umarme ihn ganz fest.
    »Keine Bange«, sage ich zu ihm, »Papa macht, dass Oma damit aufhört.«
    »Haust du sie noch fester?«, fragt mein kleiner Roi unter Tränen. Das bricht einem das Herz, dein Kind weinen zu sehen. Sogar noch mehr, wenn du geschieden bist. Ich kann nicht erklären, warum. Ich hätte echt gute Lust, ihm mit ja zu antworten, aber ich sage gar nichts darauf. Ich nehme mich in Acht. Denn das Schlimmste überhaupt ist, einem Kind etwas zu versprechen und es nachher nicht zu halten. So was ist eine lebenslängliche Narbe. Also wechsle ich auf der Stelle das Thema. Sage zu ihm:
    »Willst du, dass wir zum Parkplatz von Papas Arbeit gehen, und ich setz dich auf die Knie und wir fahren Auto als Team?« Und wie ich »Team« sage, leuchten seine Augen auf, strahlen vor Begeisterung, und die Tränen, die von vorher noch übrig

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