Plötzlich klopft es an der Tür: Stories (German Edition)
sind, machen sie sogar noch glänzender. Wir fahren so ungefähr eine halbe Stunde auf dem Parkplatz herum, er kurbelt am Lenkrad, und ich habe den Fuß auf Gas und Bremse. Sogar rückwärts lasse ich ihn fahren. Rückwärts findet er am lustigsten. Es geht nichts über ein Kinderlachen.
Ich bringe ihn eine Viertelstunde vor der Zeit zurück. Ich weiß, dass sie uns suchen, also nehme ich es echt hypergenau mit diesen Dingen. Bevor wir mit dem Aufzug hinauffahren, kontrolliere ich ihn ganz gründlich, um zu sehen, ob er nicht Schmutz oder Flecken irgendwo dran hat, und danach überprüfe ich auch mich selber, im Treppenhausspiegel.
»Wo wart ihr?«, fragt sie gleich an der Tür.
»Im Gymboree«, antwortet mein kleiner Roi, genau wie wir es ausgemacht haben. »Ich hab mit Kindern gespielt.«
»Ich hoffe, dass Papa diesmal schön gespielt hat«, sagt Schani selbstzufrieden, »dass er keine anderen Kinder geschubst hat.«
»Papa hat niemanden geschubst«, gebe ich in einem Ton zurück, der klar zum Ausdruck bringt, dass ich nicht damit zufrieden bin, dass sie vor dem Jungen Spielchen mit mir treibt.
»Stimmt«, sagt mein kleiner Roi, »wir haben viel Spaß gemacht.« Er erinnert sich überhaupt nicht mehr an die Tränen nach dem Kindergarten, daran, dass er mich gebeten hat, Oma zu hauen. Das ist das Schöne bei Kindern – du machst mit ihnen, was immer du willst, und innerhalb einer Stunde haben sie’s vergessen, suchen hartnäckig nach etwas anderem, Gutem, um sich darüber zu freuen. Doch ich bin kein Kind mehr, und wie ich zum Auto hinuntergehe, ist alles, was ich im Kopf habe, das Bild von ihm, wie er an die Tür seines kleinen Zimmers klopft und ihre böse alte Mutter auf der anderen Seite nicht aufmacht. Ich muss klug vorgehen. Dafür sorgen, dass das aufhört, aber ohne mich zu gefährden. Meine Zeit mit dem Jungen zu gefährden. Auch diese erbärmlichen zweimal pro Woche habe ich blutsteuer erkauft.
Da war diese Geschichte in dem öffentlichen Park, als das dicke Mädchen meinen kleinen Roi am Kletterseilgerüst piesackte. Sie zwickte ihn ganz fest, und ich versuchte, sie von ihm wegzubringen. Ich gab ihr einen kleinen Ruck mit der Hand, worauf sie hinfiel und sich an dem Stahlrahmen anschlug. Praktisch rein gar nichts, sie blutete nicht mal, was aber ihre hysterische Mutter nicht daran hinderte, einen Riesentanz zu veranstalten. Und als mein kleiner Roi das nachher aus Versehen Schani erzählte, sind sie und Amram über mich hergefallen wie die Heuschrecken, und Schani sagte, wenn es bei mir noch einmal »Gewaltäußerungen« vor dem Jungen gebe, würden sie dafür sorgen, bei Gericht Berufung gegen das Abkommen einzulegen, das wir unterschrieben haben.
»Was für Gewalt?«, sagte ich zu ihr. »Fünf Jahre waren wir zusammen, hab ich ein einziges Mal die Hand gegen dich erhoben?« Sie wusste, dass sie nichts darauf sagen konnte. Verdient hätte sie es massenhaft, aber ich habe mich beherrscht. Jeder andere Mann hätte sie schon längst krankenhausreif getreten. Aber ich würde im Leben nie die Hand gegen eine Frau erheben. Und dann hat sich plötzlich dieser Amram eingemischt.
»Sogar jetzt, in diesem Moment, bist du gewaltbereit«, warf er mir ins Gesicht, »du hast einen verrückten Blick in den Augen.«
»Das ist kein verrückter Blick«, lächelte ich ihn an, »das ist die Seele. Das ist Gefühl. Nur weil du so was nicht hast, heißt das nicht, dass es was Schlechtes ist.« Am Schluss war er es mit seiner ganzen Nicht-Gewalttätigkeit, der zu brüllen anfing und zu drohen, dass ich den Jungen nicht wiedersehen würde. Schade, dass ich das nicht aufgenommen habe. Was für einen Dreck der abgelassen hat, stinkend wie ein Scheißhausabfluss. Aber ich habe weitergelächelt, so ganz seelenruhig, um ihn kleinweise wahnsinnig zu machen. Am Ende ging es so aus, dass ich versprochen habe, solche Sachen nie wieder zu machen. Als ob das genau bei mir auf dem Programm gestanden hätte, auch morgen ein fünfjähriges Mädchen im Park umzuwerfen.
Beim nächsten Mal, als ich meinen kleinen Roi aus dem Kindergarten abhole, schneide ich gleich das Thema mit der Oma an. Es wäre möglich gewesen zu warten, bis er davon anfängt, doch bei Kindern kann das ziemlich lange dauern, und diese Zeit kann ich nicht abwarten.
»Seit wir geredet haben«, sage ich, »war seitdem die Oma da, um auf dich aufzupassen?« Mein kleiner Roi schleckt an seinem Meloneneis am Stiel, das ich ihm gekauft habe, und schüttelt
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