Ploetzlich Liebe
miteinander.« Carry kommt in verschlissenem Denim und Doc Martens rein und bittet um Aufmerksamkeit. Sie ist also der Boss hier, hätte ich mir denken können. Also, schließlich führt sie sich in allen Kursen auf wie die Rächerin der Feministinnen und sämtlicher feministischer
Anliegen – ihr fehlt nur noch das Cape und die Maske. »Danke, dass ihr heute gekommen seid, wir haben viel zu besprechen. «
Die Leute kommen zur Ruhe und ich sehe, dass abgesehen von ein paar engelsgesichtigen Knaben in engen Jeans lauter Mädchen im Raum sind. Zielstrebige, politisch bewusst aussehende Mädchen, die wahrscheinlich schon aus Prinzip Lippenstift und hohe Absätze boykottieren. Ich danke stumm dafür, dass ich das ödeste, praktischste Outfit überhaupt gewählt habe: ein schlichter dunkelblauer Cordrock (der tatsächlich meine Knie bedeckt), frische Bluse und Pullover.
»Zunächst mal: Ich bin Carrie und das ist Uma.« Sie zeigt auf das zierliche Mädchen im Amnesty-Pullover. »Wie ihr wisst, hat der Verwaltungsrat in seiner Weisheit beschlossen, dass unsere wichtigste Einrichtung geschlossen werden soll: das Frauengesundheitszentrum.« Carrie nickt ihrer Gefährtin zu.
»Hier geht es nicht nur um das Zentrum allein«, fährt Uma fort, sie hat einen schwachen indischen Akzent. »Sondern um die Tatsache, dass bei Einrichtungen für Frauen zuerst gekürzt wird. Bevor die Mittel für Sport oder Freizeit angetastet werden. Oxford bricht mit der Verpflichtung, die es für das Wohlergehen der Studentinnenschaft trägt, und wir können nicht tatenlos danebenstehen und es geschehen lassen. «
Man poltert zustimmend und sogar ich seh ein, wie mies es ist, unsere Belange zu kürzen, ehe man, nur zum Beispiel, den Kabelanschluss kündigt.
»Wir wollen eine Gruppe auf die Beine stellen, die auf jede erdenkliche Weise dafür sorgen wird, dass die Stimmen der Frauen gehört werden.« Carrie verschränkt die Arme vor der Brust. »Das heißt E-Mails, Briefe, Plakate und Flugblätter, ja, sogar Demonstrationen.«
Ein Mädchen in meiner Reihe wedelt mit der Hand in der Luft herum, dass Perlen und Armreifen nur so klimpern.
»Ja?«
»Und wie ist es mit dem Fundraising?«, fragt sie. »Wäre es nicht besser, die Zeit zu nutzen, indem man die nötigen Geldmittel beschafft, damit das Center offen bleiben kann?«
Carrie wechselt einen Blick mit Uma. »Das würden wir tun, wenn wir die Zeit hätten, eine halbe Million Pfund aufzutreiben. «
»Oh.« Sie macht ein langes Gesicht.
Carrie zuckt die Achseln. »Ich werde euch nicht anlügen, Leute. Das ist der letzte Ausweg. Die Sache ist in der letzten Finanzsitzung abgebügelt worden, und Judy und Sue ist mit einmonatiger Frist gekündigt worden. Wir haben weder die Zeit noch die Mittel, um das Defizit selbst auszugleichen, aber, wisst ihr was? Kampflos ergeben wir uns nicht.«
Wieder Gepolter.
»Der Rat denkt, er könnte das einfach so unter den Teppich kehren, als würde unsere Gesundheit keine Rolle spielen. Na, nicht, solange ich am Ball bin.« In Carries Stimme schrillt die Entschlossenheit. »Wir werden dafür sorgen, dass wir gehört werden. Wir wollen etwas bewirken!«
»Ja!« Die Leute sind engagiert, aber wie sie es schafft, sie hochzuschaukeln, beeindruckt mich.
»So, nun verteilen wir uns auf Gruppen und entwickeln ein paar Ideen. Zehn Minuten Brainstorming, Leute, dann tauschen wir uns aus!«
Es wird laut, weil Stühle geschoben werden. Zögernd drehe ich mich zu den Mädchen neben mir um.
»Hey.« Ich hebe winkend die Hand. Wir rücken in einem Kreis zusammen und bringen die Vorstellung schnell hinter uns. Mary ist eins der Dreadlock-Mädels, in zerrissenen Strumpfhosen und dickem Pullover. Louise starrt finster durch eine dicke Brille mit schwarzem Gestell und DeeDee hat so einen super-herrischen Ausdruck im Gesicht, als hätte sie immer das Sagen.
»So, Vorschläge.«
Ich hatte recht, keiner kann ein Wort sagen, ehe DeeDee nicht ihr Heft aufgeschlagen hat und eine Überschrift unterstreicht, sie benimmt sich schon ganz wie unsere Anführerin.
»Wir könnten einen Marsch organisieren«, schlägt Mary vor, »oder eine Kundgebung mit Rednern.«
DeeDee notiert das.
»Ich finde immer noch, dass Jo recht hat, wir müssen uns nach Möglichkeiten umsehen, Geld aufzutreiben«, beschwert sich Louise. »Auch wenn es nur dazu reicht, die Kosten für die Demonstration zu decken. Erinnert ihr euch noch an die Aktion gegen Nestlé? Ich hab ein Vermögen für Fotokopien
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