Ploetzlich Liebe
Ryan auf meiner anderen Seite. Wir bleiben eine Weile schweigend sitzen, immer noch rast
Adrenalin durch meine Adern. »Komm.« Schließlich steht er auf. »Wir müssen uns immer noch den echten Kritikern stellen.«
In meiner Tasche vibriert es. Ich schaue aufs Display, es ist mein Vater. »Ich komm nach.« Ich schiebe Ryan Richtung Bühne, dann dränge ich mich durch die Menge und raus auf den Flur.
»Dad, hi!«, rufe ich überströmend vor Glück. »Sie mochten ihn – unseren Film! Die Vorführung ist gerade vorbei und es ist wirklich gut gelaufen, glaube ich, hoffe ich jedenfalls.« Ich weiß, dass ich plappere, aber er soll begreifen, dass es ein Erfolg war. Mein Aufenthalt hier war nicht so eine Zeitverschwendung, wie er gedacht hat.
»Aber natürlich ist es das, Emily.« Er klingt entspannter als sonst. »Gut gemacht.«
»Ich hatte nicht geglaubt, dass wir rechtzeitig fertig werden. « Ich rede immer weiter, der von Neonröhren beleuchtete beige Korridor scheint mir nicht der geeignete Ort zum Feiern so eines Sieges zu sein. »Aber wir haben die ganze Woche gearbeitet und …«
»Das ist wunderbar«, unterbricht er mich. »Aber ich hab noch bessere Neuigkeiten. Heute Morgen war ein Brief für dich in der Post, und ich bin mir sicher, du weißt schon, was drinsteht.«
»Du hast meine Post aufgemacht?« Ich versuche ja ihm zu folgen, aber ich muss mich immer wieder zum Auditorium umdrehen und mich fragen, was Lowell wohl sagt.
Mein Vater lacht. »Ich wusste doch, dass du es gleich hören willst. Du hast es bekommen!«
»Was denn?« Ich sehe zwei der Kaugummi kauenden Mädchen aus meinem Kurs zur Tür herausstaksen, offensichtlich wenig erfreut. »Wovon sprichst du eigentlich?«
»Von deinem Praktikumsplatz, Dummchen. Bei Sterns, Cahill und Coutts . Du wirst natürlich noch andere Angebote bekommen, da bin ich mir sicher, aber dies ist die große Sache.«
»Die große Sache«, wiederhole ich, denn ich höre nur mit halbem Ohr hin.
»Sieht ganz so aus, als würde sich die Zeit jetzt bezahlt machen, die ich mit Giles auf dem Golfplatz verbracht hab, was? Natürlich ist dein Spitzenzeugnis auch ins Gewicht gefallen, aber jede Kleinigkeit bringt uns voran. So, ich hab mich schon mal nach Wohnungen umgesehen, die du für den Sommer mieten kannst, irgendwas in der City, denke ich, Pimlico vielleicht oder Marylebone. Wenn der Preis stimmt, kaufe ich vielleicht gleich, du wirst ja nach deinem Abschluss sowieso was brauchen, und wenn ich für deine Hypothek bürge …«
Ich höre ihn schon über den Schätzwert von Wohneigentum und die richtigen Viertel faseln, während ich noch versuche die Neuigkeit zu verarbeiten. Ich hab’s also doch geschafft. Der Top-Praktikumsplatz gehört mir und ich bin einen Schritt weiter in meinem Fünfjahresplan. Kalifornien hat meine Chancen nicht ruiniert, ich kann nach wie vor den ganzen Sommer lang in den Büros einer der weit und breit angesehensten Anwaltspraxen schuften, und danach werden sie mir bestimmt auch eine Stelle anbieten.
Die Zukunft entrollt sich vor mir auf diesem Korridor:
Gesichert, sicher und so klar, wie ich sie auf meinem Mini-Whiteboard mit wischfester Tinte entworfen habe. Sommer, dann mein Examensjahr in Oxford, danach Umzug nach London und diese Wohnung in guter Lage, die Dad so erpicht ist zu kaufen. Alles läuft genau nach Plan.
»Das ist wunderbar«, sage ich. Ein neues Gefühl der Befriedigung mischt sich mit der Euphorie von vorhin. Alles ist, wie ich es geplant hatte. »Es hat alles geklappt.«
»Aber selbstverständlich! Wie ich dir immer gesagt hab: Du musst nur dem Plan folgen.« Er ist so stolz, ich höre sein Strahlen in jedem Wort.
»Danke.« Ich merke, dass ich eine Last losgeworden bin, dieses schleichende Unbehagen, das sich einstellte, sobald ich ans Nach-Hause-Fahren dachte. Jetzt, wo ich weiß, wie alles werden wird, brauche ich keine Panik zu kriegen. Ich muss mir keine Sorgen mehr machen.
Die Tür wird wieder aufgerissen, ich schaue hoch und sehe Ryan auf mich zu stürzen, er grinst von einem Ohr zum anderen.
»Ich muss Schluss machen, Daddy«, sage ich schnell. »Aber das sind tolle Neuigkeiten, wirklich.«
»Ich rufe dich an, wenn die anderen Angebote kommen, dann können wir sie durchgehen.«
Ich lege auf und lächle Ryan an. »Ich hab Neuigkeiten«, fange ich an, aber er legt mir eine Hand auf die Lippen.
»Erst ich.«
Er ist so voller Aufregung, er hüpft regelrecht vor mir. Ich kichere und verflechte meine Finger
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