Ploetzlich Mensch
schwach. Der Geda n ke ließ ihn erschaudern. Vielleicht lag es am Sonnenlicht.
Normalerweise verzog er sich um diese Tageszeit in einen fensterl o sen Raum, in den kein Licht eindringen konnte. UV-Strahlung war p u res Gift für die Haut eines Vampirs. Nur wenige Minuten in direktem Tageslicht konnten ihm die obersten Hautschichten wegbrennen. Ein schmerzhafter Prozess, dessen Heilung Ewigkeiten dauerte. Selbst Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor konnte dem nur für kurze Zeit etwas entgegensetzen. Ein kluger Vampir mied das Tageslicht ganz und verließ nur nachts seine Behausung.
Doch diese Option stand im Moment leider nicht zur Verfügung. Er hatte weder Sonnencreme noch sonst etwas dabei, um seine Haut zu schützen, was bedeutete, dass er wohl oder übel bis zur Dämmerung im Schatten dieses Baumes würde bleiben müssen. Das war ein Pro b lem, denn nur wenige Meter neben ihm lag der Körper einer weiteren Person. Die junge Frau, die er am Abend zuvor gebissen hatte.
Sie war zweifelsohne tot. Schließlich hatte er sie bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt. Oder nicht? Er versuchte sich zu erinnern, doch ab dem Moment, als er seine Zähne in ihren Hals geschlagen hatte, herrschte absolute Finsternis in seinem Kopf.
Was war los mit ihm? So einen Blackout hatte er noch nie gehabt. Vermutlich waren irgendwelche seltsamen Drogen im Blut der Frau gewesen. Aber welche Droge war in der Lage, einem Vampir, der de facto ja schon tot war, etwas anzuhaben?
Dean beschloss, diese Überlegungen vorerst auf Eis zu legen und sich erst einmal um das akute Problem in seiner unmittelbaren Umg e bung zu kümmern. Er war gefangen im Schatten der alten Eiche. Zw i schen ihm und den beiden Ausgängen des Parks lag in jede Richtung eine weitläufige Rasenfläche, die ohne Sonnenschutz ein unüberwin d bares Hindernis für ihn darstellte.
Verdammt!
Er musste die Leiche der jungen Frau verschwinden lassen. Die Bis s spuren an ihrem Hals würden jedem sofort zeigen, woran sie gestorben war. Jeder noch so dumme Polizist würde auf der Stelle wissen, dass ein Vampir sie getötet hatte. Die Werwolf-Patrouillen hatten Vampire ohnehin auf dem Kieker. Nicht ganz zu Unrecht, wie Dean zugeben musste, denn es gab außer ihm noch genug andere Vampire, die sich nicht an die nach dem Vertrag von Zhanzheng Jieshu vereinbarten G e setze halten wollten und nach Herzenslust in der Bevölkerung wilde r ten. Die meisten von ihnen stellten sich dabei so dumm an, dass sie recht schnell wieder in einer Gefängniszelle verschwanden. Dean hi n gegen war seit Jahrhunderten erfolgreich in dem, was er tat, und er ha t te absolut kein Interesse daran, etwas an diesem Zustand zu ändern. Sein Blick suchte die Umgebung ab. Im Moment war weit und breit niemand zu sehen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Frühsportler ihren Weg hierher finden würden. Der Park war ein b e liebter Treffpunkt für alle Jogger und Hundebesitzer der Stadt und eine tot am Boden liegende Frau würde nicht lange unbemerkt bleiben.
Sie musste weg.
Nur wenige Meter entfernt wuchs ein Dornengestrüpp, dessen Blattwerk dicht genug schien, um für einige Zeit eine Leiche verbergen zu können. Er kniete sich neben den leblosen Körper und sah sich noch einmal prüfend um. Sollte ihn jetzt jemand entdecken, konnte er immer noch behaupten, er hätte sie gerade erst gefunden.
Doch die Wege des Parks waren nach wie vor leer und niemand da, der ihn beobachten konnte. Der zierliche Körper der Frau war erstau n lich schwer. Es kostete ihn einige Mühe, sie die wenigen Meter bis zu der Dornenhecke zu tragen.
Ein weiteres Mal glitt sein Blick prüfend umher. Die Luft war rein.
„ Tja, meine Schöne. Das war’s dann wohl mit uns beiden“, meinte er mit einem entschuldigenden Lächeln zu der leblosen Frau in seinen Armen.
Ihr blasses, wohlgeformtes Gesicht wirkte im fahlen Morgenlicht wie Porzellan. Für einen Moment erschien es ihm, als hielte er eine große, zerbrechliche Puppe in seinen Armen.
Sie war wirklich hübsch. Hätte er sie unter anderen Umständen als auf der Jagd kennengelernt, hätte sich die Beziehung zwischen ihnen vielleicht in eine andere Richtung entwickelt. Doch so war sie nichts weiter als eine süß schmeckende Beute gewesen. Zumindest , soweit er sich erinnern konnte.
Es war Zeit, sich ihrer zu entledigen. Er wunderte sich ein bisschen über sich selbst, als er ihr mit einer fast sanften Geste eine blonde Strähne aus dem Gesicht strich und ein
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