Plötzlich Royal
Ehre, Eurer Exzellenz Seine Majestät König Alexander IV. vorstellen zu dürfen.“
Ich war offiziell erfreut und spulte den auswendig gelernten, diplomatisch korrekten Satz Smalltalk zu Afghanistan ab. Der Botschafter verbeugte sich mit einem „Danke, ein langes Leben, Eure Majestät“. Dann stellte Earl Binnester weiter vor: „Seiner Majestät Premier Cramer mit Gattin, Ihre Hoheiten Prince Andrew mit Kronprinzessin Carmen und Prinz Leopold, Prince William mit Kate Middleton.“ So ging es nun weiter bis zu Simbabwe, dessen Botschafter ich nur mit einem „Erfreut!“ begrüßte. Den Smalltalk vergaß ich absichtlich und gab wie aus Schussligkeit nur der Frau des Botschafters die Hand. Das Parlament von Simbabwe hatte an diesem Nachmittag als Antwort auf den Perversen auf dem britischen Thron die Todesstrafe für Homosexuelle eingeführt.
Damit war die homophobe Gruppe durch, da im Englischen Simbabwe mit „Z“ geschrieben wird. Ich fragte mich bereits, ob Händeschütteln Schwielen gäbe, und war überzeugt, dass der Lord, der das immer gleiche Vorstellungsprozedere abspulte, unmöglich bei Verstand bleiben konnte. Enttäuscht hatte mich, dass auch Russland sich in die homophoben Länder eingereiht hatte.
Die kleine Pause wurde genutzt, um allen schnell ein Reinigungstuch zu reichen, während BBC zu Sir Wilfried ins Studio schaltete. Es wurde live berichtet, da ja alle neugierig waren, wie sich der Neue beim ersten Ernstfall anstellen würde, was mich zusätzlich nervös machte. Außer mir rückten alle eine Markierung weiter, um für Simon Platz zu machen. Der Lord trank einen Schluck Wasser, schickte den Kellner mit dem Glas weg und gab dem Diener beim Türeingang ein Zeichen. Der erste Botschafter mit Gattin der toleranten Gruppe trat vor. Ich rief eine Eselsbrücke für den nächsten Smalltalk-Satz ab und einen Augenblick später gingen die Begrüßungen weiter.
„Seine Exzellenz Dr. Kemal Hoxa, Botschafter Albaniens, Seine Majestät König Alexander IV. und His Royal Highness Prince Consort Simon, Seiner Majestät Premier David Cramer, Ihre Hoheiten …“
Erstaunlicherweise hatte sich auch die Türkei hier eingereiht. Ich fragte mich, ob Cramer sanft Druck ausgeübt hatte. Der Premier hatte sich als Befürworter des türkischen EU-Beitritts weit aus dem Fenster gelehnt. Nicht ganz perfekt nach Alphabet wurde zum Schluss „der Außenminister der BRD mit Lebenspartner“ angekündigt.
„Willkommen, Herr Außenminister, mein Mann und ich würden uns freuen, Sie beim morgigen Fünfuhrtee näher kennenzulernen“, begrüßte ich den damaligen FDP-Vorsitzenden auf Deutsch und war erstaunt, wie alt Westerwelle geworden war. Kein Wunder bei den Umfragewerten.
„Wir nehmen im Namen der Bundesrepublik Deutschland gerne an, Majestät.“
Damit war Westerwelle vorbei und die Schlange zu Ende. Enttäuschend klein war diese zweite Gruppe ausgefallen. Zeit zum Nachdenken darüber blieb jedoch nicht. Cramer und ich wurden für ein kurzes Gespräch vor dem Bankett in einen Salon gebeten. Da der Premier sofort einwilligte, konnte ich schlecht die Teilnahme verweigern. Ich wollte aber Simon dabei haben.
Neben dem korpulenten jamaikanischen Botschafter warteten im Salon auch die Botschafterin von Barbados und die Vertreter Simbabwes und Ugandas, der Teppichhändler aus Afghanistan und ein Prinz der Saudis. Immerhin erhoben sie sich formell korrekt, trotz der frostigen Stimmung, als wir eintraten.
„Wir sind eine Interessengemeinschaft, die hier formell gegen die Anwesenheit der Person protestieren möchte, die manchen als sogenannter Prince Consort vorgestellt wurde“, hob der jamaikanische Botschafter an.
„Wir nehmen Ihren Protest zur Kenntnis. Gibt es aus Kingston Neuigkeiten?“, fragte Cramer.
„Die Beratungen dauern an.“
„Seine Majestät bittet die Realms, Geduld zu haben und sich der modernen Zeit etwas zu öffnen“, ergänzte die Außenministerin.
„Also kein diskretes Verlagern der Sache in den Privatbereich?“, fragte Barbados.
Nun schaltete ich mich ein: „Es würde die Krone beleidigen, wenn ich ein unehrliches Doppelleben führen würde. Die Entkriminalisierung der Homosexualität ist keine westliche Macke, sondern eine menschenrechtliche Notwendigkeit.“
„Sodomie und Kindsverführung sind doch keine Menschenrechte! Aufgehängt gehört das Pack“, polterte der Ugander.
„Ich werde der Premierministerin empfehlen, das Verbot aufzuheben“, meinte die Botschafterin
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