Plötzlich Royal
vorzubringen hat“, hob ich den Lunch schließlich auf.
Wir gingen zu dritt in unser Büro. Unterwegs klopfte Grant dreimal an die Tür des Lord Chamberlains, der uns daraufhin folgte. Wir setzten uns um den Konferenztisch.
„Ich hoffe, hier drin gibt es keine Mäuse“, begann der Earl.
„Es bleibt vertraulich“, versicherte ich ihm. Er wusste anscheinend von unseren Postings als Palastmäuschen. Ich wollte jedoch keine Diskussion darüber, sondern gleich auf die Politik kommen: „Geht es um Jamaika?“
„Ich fürchte ja, der aktuelle Vorschlag Jamaikas ist, dass Prince Simon im Ritz ein Zimmer bewohnt und Sie ihn inkognito gelegentlich besuchen. Diese Beziehung würde so zum intimen Palastgeheimnis.“
„Jamaika wird wissen, dass dies unannehmbar ist, aber Verhandlungen beginnen eben nicht mit einem Kompromiss“, warf Grant ein.
„Die Außenministerin möchte wissen, was grob umrissen Ihre Position sein wird“, fuhr Earl Binnester fort.
Mir stieg das Blut in den Kopf: „Grob umrissen? Wenn uns Jamaika kündigt, fährt es die kläglichen Reste seiner Wirtschaft gegen die Wand. Deshalb wird es das nicht tun. Wir bleiben höflich, aber hart. Ich sehe keinen Raum für ein Treffen, wenn der Gatte des Monarchen zum Stricher herabgesetzt wird und meine homosexuellen Untertanen in Jamaika ohne eigenes Verschulden als Schwerverbrecher gelten wie die Juden in Hitlerdeutschland. Noch Fragen, Gentlemen?“
„Nein, das ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig“, seufzte Earl Binnester. Die beiden Gentlemen verließen nun schnell das Büro.
„Ups! War jetzt ein bisschen heftig. Du kannst als König nicht in derselben Sprache reden wie bei einem Treffen schwuler Studenten. Aristokraten wie Earl Binnester achten auf solche Äußerlichkeiten“, mahnte Simon.
„Ja, ich weiß. Das von eben bitte nicht ins Netz.“ Vermutlich hatte Simon recht, ich hätte mich diplomatischer und königlicher ausdrücken sollen.
Die Vorbereitungen und Proben zum Diplomatenempfang standen nun im Mittelpunkt. Die offizielle Vorstellung der Botschafter und bei ein paar wenigen Staaten zusätzlich des Außenministers würde vor dem Thron stattfinden, zudem hatte sich mein Großonkel Andrew angekündigt, zusammen mit Prince William und seiner Kate, ebenso Cramer und Gattin und meine Schwester mit Leopold, die zur Zeit auf dem Landsitz Bagshot Park weilten. Die Vorstellungsrunde war aber das geringere Problem. Das Bankett hingegen schien weitaus komplizierter zu sein. Simon und ich mussten einmal mehr geduldig verschiedene Belehrungen über die Etikette an der festlichen Tafel über uns ergehen lassen. Butler Fletcher sowie einige Ladies und Gentlemen verstrickten sich dabei schnell in eine Debatte darüber, wie die Reihenfolge beim Anstoßen mit dem Wein sei, wenn ein schwules Paar nebeneinander am Tisch sitze, das eben nicht wie zwei Junggesellen behandelt werden wollte. Später traf eine Anweisung von 10 Downing Street ein: Ich sollte neben Prince Williams Zukünftiger an der Quertafel der Gastgeber sitzen und Simon nicht mehr direkt neben mir. Mit dieser Nachricht erledigte sich zwar das „Problem“ der Reihenfolge beim Anstoßen, doch es bedeutete auch, dass man vor den Homophoben eingeknickt war. Simon meinte, es brauche eben Zeit und wir sollten nicht gleich beim ersten internationalen Auftritt einen Skandal provozieren.
Mittlerweile eilten immer mehr temporäre Serviceangestellte durch die Flure. Die anderen Royals musste ich auch noch begrüßen und dann mit Edward und William vor dem Thron auf Markierungen lange Spalier stehen. Für ein wenig Smalltalk mit meiner Schwester und Leopold reichte es knapp, und schon bat man mich zu einer Kameraprobe mit dem Oberst, der einen Botschafter mimte, und mit Grant, der den Platz des noch abwesenden Premiers einnahm. Dann dasselbe noch einmal, dann mit Simon, der nun zwischen mir und Andrew stand, und schon mussten Simon und Grant zur Seite treten, da der echte Premier eintraf. Es gab ein kurzes Händeschütteln, noch eine Kamera- und Tonprobe − die Anspannung stieg. Earl Binnester machte sich bereit zum Ankündigen und zischte mir im Vorbeigehen zu: „Westerwelle mit Begleitung ist da. Einladen zum Fünfuhrtee morgen!“
Dann war es so weit: Ein Araber in traditioneller afganischer Robe, die golden im Schein der Leuchter glänzte, betrat als Erster den Saal. „Seine Exzellenz Muhamad Achmed Abach, Botschafter von Afghanistan“, begann Earl Binnester. „Ich habe die
Weitere Kostenlose Bücher