Plötzlich Royal
anschließend. „Ich habe einen Jetlag, könnten Sie nicht einfach damit aufhören?“, fügte sie aufbrausend hinzu.
„Ich weiß, dass es nur sehr wenige Verurteilungen auf Barbados gibt. Aber Sie stellen Simon und mich mit Ihrer Gesetzgebung auf die gleiche Stufe wie Mörder.“
„Ich kenne die Argumente, danke!“, sagte sie genervt.
„Weshalb sind Sie überhaupt hier? Ich kann nicht heterosexuell werden. Sie brauchen nur ein nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und auch humanitären Ansichten falsches Gesetz zu streichen. Danach werde ich gerne zu Besuch kommen.“
„Sie haben keine Ahnung, wie für mich und andere dieses Thema peinlich und pornografisch ist. Ich werde mich um die Streichung bemühen, weil sonst Barbados Schaden nimmt, nicht Ihretwegen. Auf Ihren Besuch verzichten wir. Dass Sie in diesen geschichtsträchtigen Räumen über solch eklige Praktiken des Geschlechtsverkehrs reden und sie sogar verteidigen, disqualifiziert Sie als Monarch. Tag, Mr Burger!“
Sie stand auf, trank im Stehen den Rest ihres Kaffees, rauschte hinaus und ignorierte dabei demonstrativ die Etikette. Mir lag eine spitze Retourkutsche auf der Zunge, doch die verkniff ich mir. Außerdem war sie ja längst weg. Kulturen prallten hier aufeinander. Für sie war schon die Erwähnung, ich lebe mit Simon zusammen, so, als würde ich detailliert beschreiben, wie Simon und ich es in einer heißen Nacht machten.
„Scheiße!“, brüllte ich. Die Flegelhaftigkeit tat gut.
War es so schlimm, wenn ein König in einer seine Person so unmittelbar betreffenden Angelegenheit einmal seine politische Meinung öffentlich machte? Wie war gleich die Sache mit dem Abtreibungsgesetz vor einigen Jahren gewesen? Da hatte doch einer für einen Tag abgedankt, nur um ein liberales Gesetz zur Abtreibung nicht unterschreiben zu müssen. Wenn das keine eindeutige Meinung war!
Offensichtlich stand niemand mehr Schlange, um mir den „Bettel“ möglichst theatralisch vor die Füße zu werfen. Also ging ich wieder zu Simon und Timm zurück. Die beiden saßen mit der Post-Nanny und Grants Auszubildendem am Konferenztisch und sortierten kistenweise Briefe. Leider war das Körbchen mit den polizeirelevanten Drohungen alles andere als leer.
Breaking News
Als wir drei gegen neun Uhr abends in unsere Suite hochgingen, hatte ich das Gefühl, einen wirklich schlechten Tag hinter mich gebracht zu haben. Timm und Simon wollten in unserer Suite endlich das Richtfunk-WLAN installieren und ausprobieren, ob wir mit dieser zweiten Büchse via Ritz verschleiert auf O1984 zugreifen konnten und zwar, ohne im Park vor dem Hotel auffällig mit einem Laptop arbeiten zu müssen.
Da ich zu wenig von dem Hack der beiden verstand, ließ ich sie arbeiten und schaltete den Fernseher ein – keine wirklich gute Idee. BBC wiederholte eine Dokumentation über die Situation von Homosexuellen in Afrika mit aktuellen Ergänzungen, wie etwa dem Aufruf der ugandischen Zeitung Rolling Stone , die Bilder von angeblich Schwulen mit dem Aufruf „Hang them!“ veröffentlichte. Inzwischen funktionierte ihre WLAN-Verbindung, aber die Datenrate sei jedoch zu schlecht, meinte Simon. Irgendwas in der Wand unserer Suite dämpfe das Signal.
Zur schwer erträglichen Dokumentation, die ich eben gesehen hatte, meinte Timm, man dürfe nun aber keinesfalls glauben, Homohass sei eine Frage der Hautfarbe. Nun zwischen Simon und mir liegend mit einem Laptop auf den Knien zeigte er uns im Internet den Blog des russischen Journalisten Nikolai Troitsky, der über den CSD von Berlin schrieb: „Notgedrungen denkt man an eine gewaltige Bombe, die nur diese Homos töten würde. Ehrlich, die Erde wäre um einiges sauberer, wenn alle diese perversen Kreaturen krepiert wären.“ Etwas weiter unten, in einem späteren Eintrag, bezeichnete der „nette“ Russe Homosexuelle als „Viehkreaturen, die ihr menschliches Aussehen verloren haben“. Zu diesen Wesen gehöre neben dem neuen britischen König auch Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister von Berlin, weswegen dessen Wähler „Arschlöcher“ seien.
„Nicht gleich eingeschnappt sein, das ist nur irgendein Blog“, wollte Simon mich beruhigen. „Solche Leute sind Außenseiter, Frustrierte oder Rechtsradikale!“
„So simpel ist es leider nicht!“, hielt Timm dagegen. Er scrollte weiter auf Troitskys Seite, bis zu einer Reaktion von sehr hoher russischer Stelle: Liubov Sliska, Vizesprecher der Duma und Mitglied der Putin-Partei „Einiges
Weitere Kostenlose Bücher