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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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an.
    „Majestät, es ist die Auffassung der Adventisten, dass eine zu harsche Ablehnung des homosexuellen Menschen dessen Abwendung von uns bedeutet, aber der gleichgeschlechtliche Liebesakt bleibt Sünde. Doch in behutsamer Seelsorge …“
    „Wir kennen die Position der Adventisten und teilen sie nicht. Können Sie Amt und private Weltanschauung trennen?“
    „Können Sie das? Von der ersten Minute Ihrer Thronbesteigung an werben Sie auf penetrante Art für die Homosexualität. Es ist jedoch die Pflicht des Monarchen, keine politische Meinung zu haben, insbesondere keine Außenseiteransicht im Commonwealth wie die Tolerierung sündhafter Handlungen.“
    Es war wohl vergebliche Mühe. Ich entschloss mich, die Sache mit frostigem royalem Protokoll zu beenden.
    „Wenn Sie Bedenkzeit möchten, dann erwarten Wir Sie morgen zu einer weiteren Audienz, oder dann beantworten Sie bitte die Frage Ihres Souveräns jetzt.“
    „Es ist ein Nein, Majestät. Für den Fall, dass dieses Gespräch bedauerlicherweise so verläuft wie befürchtet und wie nun eingetroffen, hat sich der Botschafter in Kingston bereit erklärt, interimistisch meine Aufgaben zu übernehmen, bis Jamaika keines Generalgouverneurs mehr bedarf. Das Einverständnis Eurer Majestät vorausgesetzt. Sie finden dies alles in meinem Rücktrittsgesuch.“
    „Wir nehmen mit Bedauern Ihren Rücktritt an und danken Ihnen für die geleisteten Dienste als Generalgouverneur von Jamaika. Der Privatsekretär des Souveräns Mr Grant wird die formalen Details für Uns ausführen. Bitte übergeben Sie ihm das schriftliche Gesuch. Man wird Sie zu ihm führen.“
    Ich stand auf und klingelte mit einer schönen, alten Tischglocke. Der Butler hatte vor der Tür gewartet und führte Sir Kimber hinaus. Mit dem Gefühl, alles entgleite mir, blieb ich zurück. Den Rücktritt von Sir Kimber würde man mir in der Downing Street übel nehmen, und außerdem würde dieser Schritt die Regierung in Kingston darin bestärken, dass sie die tapferen Ritter im Kampf gegen das Perverse seien. Ich nahm mir vom Rolltisch mit den noch unberührten Erfrischungsgetränken ein Fläschchen Cola light. Es war immerhin eine Glasflasche; Stil hatte der Buckingham-Palast ja. Ich trank einen Schluck und rutschte mit dem Gesäß auf dem Stuhl etwas nach vorne.
    Vielleicht erachtete ich das mit Jamaika als zu wichtig. Solange sich Schwellenländer wie Indien nicht den Homophoben anschlossen, war es nur ein Aufstand der wirtschaftlichen Zwerge. Doch die Inder sind eine sehr prüde Nation. Ich fühlte mich in diesem Salon mit all seinen Gemälden, Kristallleuchtern und dem vergoldeten Stuck wie einer, der aus einer fernen Zukunft ins Mittelalter gebeamt worden war. Ich konnte nicht nachvollziehen, warum der Anblick zweier Männer in einer Kutsche für Jamaika und andere ein Grund war, von jetzt auf gleich den Commonwealth mit möglichst vielen politischen Scherben verlassen zu wollen. In Pakistan rissen sie sich wegen Simon und mir inzwischen wohl wie Rumpelstilzchen die Beine aus.
    Es klopfte. Ich setzte mich schnell gerade hin und griff mir ein Glas, damit Butler Fletcher nicht merkte, dass ich aus der Flasche getrunken hatte.
    „Premier Golding aus Barbados, Majestät.“
    Die Dame mit rot gefärbten Haaren hatte Ringe unter den Augen. Offenbar hatte sie im Flugzeug nicht geschlafen. Eigentlich hatte ich erwartet, sie würde ihre Botschafterin mitnehmen zur Audienz, doch die Dame betrat allein das Nelson-Zimmer. Die Begrüßung war eher bürgerlich. Sie versuchte den Hofknicks gar nicht erst und wünschte einen Kaffee, keinen Tee.
    „Wissen Sie, wo Barbados liegt?“, fragte sie mich provozierend.
    „Würden Simon und ich Sie besuchen und im Hotel bei dem überrascht werden, was alle Eheleute tun, gingen wir lebenslänglich ins Gefängnis. Barbados liegt dort, wo es andauernd feucht und heiß ist in der Zelle. Es liegt dort, wo man als Schwuler den Hofgang unter stechender Sonne machen muss, mit der Spucke der Mitgefangenen im Gesicht und den Prügelstriemen der Wärter auf dem Rücken; Tag für Tag, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt, bis man mit siebzig begnadigt wird, damit man in einer Wellblechhütte von Unbekannten erschlagen wird und so nicht auch noch Gesundheitskosten verursacht.“
    Der Butler servierte den Kaffee; während der Unterbrechung schauten wir uns schweigend an.
    „Der Abbau von Vorurteilen kann nicht über Beleidigungen funktionieren“, konterte die Premierministerin

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