Plötzlich Royal
erinnerte sich daran, dass er nicht nur unser Kumpel sei, sondern von meiner Regierung den Auftrag erhalten hatte, auf mich aufzupassen. Er verlor seine bubenhafte Art und bestand darauf, dass wir eines der geheimen Waffenverstecke aufsuchen sollten, von denen ihm John bei der Einführung in das Sicherheitskonzept des Palastes erzählt hatte. Dieses Versteck war nicht einfach eine hinter ein Bild geklebte Pistole. Wir mussten in einer Besenkammer mit einer Feueraxt Backsteine aus der Wand brechen, bis wir die Waffen fanden. Es handelte sich um kompakte Schnellfeuerwaffen, sogar mit Schalldämpfer und Nachtsichtgerät, von denen wir drei bereit machten, indem wir die Batterien einlegten. Timm konnte dank seiner Ausbildung beim MI6 mit den Waffen umgehen, wenn auch nicht sonderlich gedrillt, wie der Leutnant Burger in mir bemerkte. Wir legten zwei Waffen in Simons Rucksack und eine in den von Timm. Ich trug keine. Als König persönlich bewaffnet zu einer friedlichen Demonstration zu gehen, wäre unangebracht gewesen.
Anschließend versorgten sich Timm und Simon noch mit Munition, und wir liefen dann hinunter zum Dienstboteneingang. Dort fingen uns John und sein Stellvertreter Peter, ein kräftiger neuseeländischer Ureinwohner, ab. John mahnte uns, bald würde Sir Baron eintreffen, und Earl Binnester empfange gerade Gäste auf der anderen Seite des Palastes. Ich wurde erst zögerlich, erinnerte mich dann aber an den Anblick der Leute mit den Kerzen vor dem Palast. Das machte die Entscheidung leicht. Earl Binnester hatte mir nichts von den Gästen gesagt, also war das seine Party, und bei Sir Baron würde ich mich eben entschuldigen lassen und ihn später einladen.
„John, es geht hier um Diskriminierung. Wo würde Mandela hingehen? Zum höflichen, aber nichtssagenden Smalltalk mit einem britischen Imperialisten oder zur Demonstration des ANC?“
John schaute einen langen Moment in unsere blauen, unternehmungslustigen Augen.
„Ja, ich glaube nicht, dass Nelson Mandela in diesem Moment bei Earl Binnester oder Sir Baron wäre. Wenn was passiert, macht ihr alle drei genau das, was ich oder Peter sagen, und ihr tragt unter euren Studentensachen eine schusssichere Weste!“ John blickte uns mit strengem Vaterblick an und wir nickten brav. Er führte uns in das Büro der Leibwächter und dort mussten wir die unauffälligen, aber doch recht schweren Westen anziehen. Sie machten uns ein wenig dicker, aber das war wohl der falsche Moment, eitel zu sein. John ermahnte Timm, den Personenschutz ernst zu nehmen und gab ihm und Simon je einen City-Rucksack aus seinem Bestand. Seine Rucksäcke seinen speziell verstärkt und gesichert, damit nicht der erstbeste Taschendieb uns die Waffen klauen könne.
Nach diesen Ermahnungen und Vorbereitungen durften wir nun endlich mit John und Peter hinaus auf den Platz um das Victoria-Denkmal gehen.
Draußen vor dem Gitter steuerte Peter direkt auf eine Gruppe mit Regenbogenfahne und Kerzen zu, die ihrem Touristentrieb nicht widerstehen konnten und gerade die Palastfassade fotografierten. Man begrüßte uns mit vielen „Wows“ und „cool, der König“. Wir wurden schnell mit Kerzen versorgt. Ich war aus dem Goldenen Käfig raus. War das nicht meine Welt? Ich lief wie alle hier mit einer Portion naivem Idealismus in Studenten-Klamotten in einer Demo für eine gute Sache.
„Erzählen Sie, John, wie war es beim ANC in so einem Moment?“, fragte ich neugierig. Die Demonstration löste meine frostige Laune.
„Etwas angespannter und wir waren auch deutlich militanter eingestellt als Sie hier, obwohl Nelson Mandela ja aus dem Gefängnis heraus zur Gewaltfreiheit gemahnt hatte. Wir mussten ja damit rechnen, dass die Polizei keinen Spaß verstehen würde.“
„He, Bruder“, mahnte ein Afrikaner in der Gruppe. „Guck nicht so, es gibt auch schwule Schwarze“, lachte er John an.
„In Südafrika können Homosexuelle sogar heiraten“, erklärte John seinem „Bruder“. Er und Peter mit ihren dunklen Anzügen passten nicht so recht in die linke, studentische Demonstration.
Plötzlich hallte ein Pfiff vom Victoria Memorial herüber und ein „He, Dad!“ wurde geschrien. Es war wohl Peters Sohn, denn sein Vater zuckte einen Moment erschrocken zusammen, als er den Teenager sah. Wir gingen dem jungen Kerl entgegen, seine Klamotten ähnelten denen Simons. Peter wollte uns seinen Sohn Kevin formell vorstellen, aber wir begrüßten uns lieber wie auf einer Demo mit Schwulen üblich mit
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