Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
Vom Netzwerk:
einer Umarmung. Dann stellte uns Kevin einen gleichaltrigen Rothaarigen als Sam, seinen Freund, vor. Der Bursche begrüßte Peter viel formeller und unterwürfiger als mich und der Sicherheitsmann reagierte kühl, aber höflich auf die beiden Jungen. Ich vermutete, Kevin habe die Gunst der Stunde für sein Coming-out bei seinem Vater genutzt.
    Dann schlenderten wir langsam links am Victoria Memorial vorbei und hielten da und dort einen Smalltalk. Das waren meine Leute und ich genoss das Gefühl, dass nicht die ganze Welt auf der Seite der homophoben Staaten stand. Die Zeit verging schnell beim Geplauder mit Gleichgesinnten.
    Am Rand des abgesperrten Kreisverkehrs, etwa beim gusseisernen Eingangstor zum Green Park, hielt ein Lieferwagen mit Satellitenschüssel auf dem Dach: Sky News. Es war bereits recht dunkel, da eine Wolkenschicht die Dämmerung abgekürzt hatte. Die Menschenmenge erstreckte sich weit in den Park hinein. Es waren viel mehr Leute da, als für die Lichterkette vom Ritz hierher notwendig gewesen wären, zudem sammelten sich auch auf der Mall viele Leute mit Kerzen. Auch auf dem Platz um das Denkmal standen alle mit ihren Lichtern und ein paar Regenbogenfahnen bereits ziemlich dicht beisammen.
    Der angekommene Lieferwagen ließ den Motor laufen, eine Reporterin und ein Kameramann mit Stabantenne und schwerem Batteriepack um den Bauch suchten sich das erste Grüppchen für ein Interview heraus. Das war ja Sir Wilfried, den die Kamera jetzt anleuchtete! Der alte Sir hielt königstreu auch eine Kerze. Das Interview fand nur etwa zehn Meter von mir entfernt statt, doch in der Dämmerung und wegen der bis auf Sir Wilfried, John und Peter sehr studentischen Menge fielen wir drei kaum auf.
    Man plauderte leise miteinander. Die Demonstration sollte ja ohne Sprechchöre und Plakate auskommen. Simon hielt meine Hand, wie sich das für ein verliebtes Paar gehörte. John und Peter schauten sich diskret, aber kritisch die Leute in meiner näheren Umgebung an, wie Leibwächter das eben tun. Ein weiterer Übertragungswagen, diesmal mit CNN-Logo, hielt von der Constitution Hill her kommend an und drängelte sich höflicherweise nicht in die mittlerweile dichte Demonstration um das Denkmal hinein. Es war für mich kaum abzuschätzen, wie viele Leute wohl hier bei Queen Victoria, auf der Mall und im Park an der Kundgebung teilnahmen, doch es mussten Tausende sein. Die Sky-News-Reporterin ließ den Kameramann pausieren. Anscheinend waren sie nicht mehr live auf Sendung. Jetzt um Viertel nach zehn – ich hatte gar nicht bemerkt, wie die Zeit verging – war die Schalte für die Nachrichten wohl vorbei. Die Reporterin steuerte mit Sir Wilfried zusammen auf uns zu. Sie hatte allerdings eher das Denkmal im Visier und plante wohl, die Stufen hochzugehen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Jetzt würde sie mich sicher gleich erkennen. Sir Wilfried entdeckte mich sogar etwas schneller als die junge Dame.
    „King Sascha? Darf ich Sie in dieser Umgebung so nennen? Haben Sie einen Augenblick Zeit für uns?“ Die Reporterin gab ihrem Kameramann ein Zeichen zu drehen.
    „Sicher, ein kurzes allgemeines Statement von meinem Mann ist möglich“, antwortete ich der Reporterin.
    Sie hätte wohl lieber mich interviewt, aber ich wollte den Bogen nicht überspannen. Ein Monarch hatte sich zum vorletzten Mal beim Ende des Zweiten Weltkriegs und das letzte Mal beim Tod von Prinzessin Diana unter eine Menge vor dem Palast gemischt.
    Die Journalistin wollte mit Simon ein Kurzinterview für die Breaking News um halb elf live machen und bis dahin für einen vorbereiteten Beitrag ein paar Eindrücke schießen. Für das Interview mit Simon bestellte sie Sir Wilfried hinzu und ging dann ein paar Schritte weiter, damit ihre Konkurrenz von CNN nicht zu schnell mitkriegen würde, dass der König persönlich anwesend war. Ich konnte mir nicht so recht vorstellen, dass dies im Internet-Handy-Zeitalter lange geheim bleiben würde. Fast jeder hier machte ja Handy-Fotos. Andererseits waren Simon und ich wie Studenten gekleidet und damit bestens getarnt.
    Die Menge hatte sich weiter verdichtet. Peter war mit Timm und seinem Sohn etwas abgedriftet, und John auf der anderen Seite diskutierte etwas unprofessionell über seine Zeit bei Mandela mit einer kleinen Gruppe Afrikaner. Leider war die Demonstration abgesehen davon eine rein europäische Angelegenheit, soweit ich es überblicken konnte.
    Es war nun Zeit für den Fernsehtermin.
    Die Reporterin

Weitere Kostenlose Bücher