Plötzlich Royal
mich vom Botschafter, ein Polizist hielt mir die Gartentür auf und salutierte. Ich bat ihn, Timm Kent ins Haus zu lassen, falls der auftauchen sollte, und gab ihm eine Beschreibung des Jungen. Der Polizist notierte sich alles, aber ich war mir nicht sicher, ob man nun, da ich König war, einen Aktivisten wie Timm überhaupt zu mir vorlassen würden.
Es schienen hier keine Paparazzi zu lauern. Trotzdem zog ich es vor, die wenigen Meter Gartenweg bis zur Haustür im Dunkeln zurückzulegen. Simon ging gleich nach oben, um sich die Farben aus den Haaren zu waschen. Ich blieb unten im Salon, ließ per Fernbedienung alle Rollläden herunter und zog dann die Straßenjeans aus. Danach betrachtete ich mich im Spiegelbild des Panoramafensters. Mit den hautengen Lederjeans und der Lederjacke sah ich aus wie ein … Ich wollte gar nicht daran denken. Und wenn der Premier sagen würde, ich solle in Zürich bleiben? Ein offen Schwuler auf dem Thron sei undenkbar? Damit würde er die Monarchie ad absurdum führen und könnte die Republik ausrufen. Wie oft hatte wohl Edward VIII. so grübelnd Kreise gezogen wie ich jetzt? Warum hatte er abgedankt und nicht bis zum Rauswurf durchgehalten? Wenn damals der Premier nachgegeben und der Heirat mit einer geschiedenen Amerikanerin doch zähneknirschend zugestimmt hätte, wäre ich jetzt nur ein entfernter Verwandter des britischen Königshauses. Niemandem würden die Namen, William, Harry oder auch Sascha etwas Besonderes sagen.
Morgen würde der härteste Tag meines Lebens werden. Ich sah mir noch eine Aufzeichnung der Parlamentseröffnung vom vergangenen Mai an und musste dann noch ein paar Stunden schlafen und nicht mehr über längst vergangene Ereignisse grübeln.
Kondensstreifen am Himmel
Simon rüttelte an meiner Schulter. Tageslicht fiel durch das Dachfenster unserer Bubenbude.
„Morgen, Sonnenschein. Du sollst Premier Cramer in zehn Minuten zurückrufen, habe ich versprochen. Einfach letzte Nummer wählen. Es ist jetzt halb acht.“
Er warf mir eine kurze, rote Turnhose sowie ein Deodorant zu und legte das schnurlose Telefon auf mein Computerpult.
„Ist Timm mittlerweile bei uns eingetroffen?“
„Nein, aber Unkraut vergeht nicht“, versuchte er, optimistisch zu klingen, und verließ unser gemeinsames Zimmer wieder, um Frühstück zu machen. Ich beeilte mich. Deodorant unter die Achselhöhlen und rasch die Turnhose hochgezogen. Dann nahm ich das Telefon vom Computerpult, setzte mich auf die Kante unseres Ehebetts und atmete dreimal durch. Mir wurde bewusst, dass mein linkes Bein nervös zitterte. Ich stand noch einmal auf und ging tief atmend auf und ab, um etwas ruhiger zu werden. Anschließend setzte ich mich ans Computerpult. Es wäre wohl unpassend gewesen, den wichtigsten Anruf meines Lebens im Bett zu erledigen. Ich legte mir Schreibzeug bereit, um gegebenenfalls Notizen zu machen. Dann holte ich im Display des Telefons den letzten Anrufer zurück und drückte die Wahltaste.
„ 10 Downing Street, good morning .“
„Ich bin Sascha, ich meine Alexander Philipp Burger. Der Premierminister erwartet meinen Rückruf.“
„Moment bitte.“
Auf den Zusatz „Windsor“ verzichtete ich. Erstens war er zivilrechtlich nicht korrekt und zweitens hatte ich mich nie als mit der Königsfamilie verwandt gefühlt. Es dudelte in der Warteschleife unerträglich lange, was nicht gerade zu meiner Beruhigung betrug. Endlich endete die Musik und jemand hob ab. Was hätte die Queen gemacht?
„Spreche ich mit Ihnen, Mr Cramer?“
„Ja, Majestät, guten Morgen.“
Er sprach mich mit „Majestät“ an, das bedeutete wohl, für ihn käme eine Abdankung nicht in Frage. Das machte mich noch nervöser. Nun würde ich um Simon verhandeln müssen. Es hallte leicht; er hatte die Freisprechanlage eingeschaltet. Ein paar Sätze Smalltalk würden vielleicht die Stimmung vor den harten Verhandlungen auflockern.
„Haben Sie noch etwas Schlaf finden können?“ Ich wusste nicht recht, ob ich ihn mit „David“ ansprechen durfte oder vielleicht sogar musste, da wir es ja vor Kurzem so beschlossen hatten. Also ließ ich es zunächst offen. Außerdem hatte sich die Queen im gleichnamigen Film ja darüber geärgert, dass man sich in der Downing Street mit Vornamen anredete.
„Drei Stunden, doch in der Politik muss das manchmal reichen“, antwortete Cramer etwas verzögert auf meine Frage.
„Ich habe nur wenig mehr schlafen können. Wir wollten über den Status meines Mannes sprechen.
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