Plötzlich Royal
Schwester?“
„Ihre Mutter wird zur Stunde vom britischen Konsul in Schanghai unterrichtet, ebenso Ihre Schwester von unserem Botschafter in Deutschland, der zu diesem Zweck von Berlin nach München flog. Doch keine der beiden Damen ist die Königin. Das neue Gesetz ist ja noch nicht in Kraft. Zwar hat inzwischen das schottische Parlament zugestimmt, der Souverän hat es aber noch nicht unterzeichnet. Es galten beim Tod Seiner Majestät die alten Gesetze, die Ihre Frau Mutter von der Thronfolge ausschließen, da sie einen Katholiken geehelicht hat, und Ihnen als männlichem Nachkommen den Vorzug vor Ihrer Schwester geben.
Sie, Alexander Philipp Burger, sind seit 21.45 Uhr Londoner Zeit König von Großbritannien und Nordirland. So fällt mir die Ehre zu, Sie als Erster Majestät nennen zu dürfen. Mögen Sie lange und glücklich regieren und Gott beschütze Sie, Majestät. Unter welchem Namen möchten Eure Majestät regieren?“
Ich stand nur da und starrte den Botschafter an. Ich, in den engen Lederjeans, dem sexy Shirt und mit den bunten Haaren, war König auf demselben Thron, auf dem vor zwei Jahren noch Queen Elisabeth gesessen hatte, der Inbegriff konservativer, monarchischer Pflichterfüllung. Viel absurder konnte man sich das nicht ausmalen.
„Alexander IV., würde ich dir vorschlagen“, antwortete Simon, da ich sprachlos war. „Mein Vater erwähnte einmal, dass du unter diesem Namen den Thron besteigen würdest.“
„Sind Eure Majestät mit dem Namen Alexander IV. einverstanden oder wünschen Sie beispielsweise als George VIII. zu regieren, um Ihren Großvater zu ehren?“, fragte mich der Diplomat mit Nachdruck. Simon gab inzwischen einer Mitarbeiterin des Botschafters den Schließfachschlüssel, um unsere Tasche zu holen. Ich benötigte einige Sekunden, bis ich wieder klar werden konnte.
„Ich danke Ihnen, Botschafter. Alexander IV. ist ein guter Name für mich. Es ist wohl angebracht, wir fahren so schnell wie möglich zu uns nach Hause.“
Simon deutete auf die Theke und meinte, er würde mir die Farbe aus den Haaren waschen, bis die Mitarbeiterin mit unseren Sachen zurück sei.
„Wenn ich die Zeit nutzen darf, um zu erklären, wie es weitergeht? Wir haben einen Privatjet für morgen früh nach Zürich-Dübendorf bestellt. Das Flugzeug wird Sie, Majestät, morgen Vormittag um 9.15 Uhr hiesiger Zeit nach London bringen. Dort werden Sie vorerst im Ritz residieren, da die Paläste komplett durchsucht werden müssen und deshalb der königliche Haushalt seine Dienste zurzeit nicht anbieten kann. Sind Eure Majestät damit einverstanden?“
Ich hielt unterdessen hinter der Theke den Kopf unter eine Brause, die eigentlich für das Geschirrspülen gedacht war. Simon rubbelte mir ziemlich intensiv und mit einem Schuss Handseife die Farbstreifen aus dem Haar. Es dauerte noch ein Moment, bis die Farbe raus war. Die Assistentin war inzwischen mit unserer Tasche zurückgekehrt und wir konnten uns umziehen.
„Ich bin nicht einverstanden!“, rief ich dem Botschafter zu.
Der Botschafter wusste nun überhaupt nicht, wie es weitergehen soll.
„Wer darf morgen mit dem Jet fliegen?“, fragte ich.
„Sie, Sire, und Mitarbeiter des königlichen Haushalt werden dabei sein.“
„Sie haben jemand Entscheidendes vergessen. Ohne den bleibe ich in der Schweiz, ohne formelle Abdankung. Außerdem, was soll das antiquierte ‚Sire‘, das alle neuerdings benutzen?“
„Ihr Herr Großvater hat diese Anrede des Monarchen wieder eingeführt. Ich bedaure, Eurer Majestät …“
„Ich bin müde, verschieben wir die Streiterei, ich meine, Verhandlung auf morgen.“
Ich wühlte aus meiner Sporttasche das Handy heraus. Es zeigte jede Menge verpasster Anrufe an. Ich zog den Reißverschluss der Lederjacke hoch, damit man das transparente Shirt nicht sehen konnte. Dann gingen wir, eskortiert von der Polizei, zum Haupteingang hinaus und durch das Blitzlichtgewitter und ohne Fragen zu beantworten gleich zur Limousine des Botschafters. Ich zog den etwas zögerlichen Simon einfach mit in den Wagen, direkt vor der Nase des Botschafters. Da vorne neben dem Chauffeur bereits seine Assistentin saß, musste er sich neben Simon drängeln, der zwar wie ich inzwischen die Straßenjeans über die Lederhose gezogen hatte, aber noch immer bunte Haare trug. Ich bat den Botschafter, er soll Timm Kent unterstützen, falls der sich auf dem britischen Konsulat in Zürich melden würde. Der notierte sich ohne Kommentar den Namen.
Wir
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