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Plötzlich Royal

Plötzlich Royal

Titel: Plötzlich Royal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Brodbeck
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spinnen, die Briten! Die machen tatsächlich den Frechen der schwulen Studentenvereinigung Zart & Heftig zu ihrem König. Nach meiner Forderung nach Homo-Rechten hatte ich erwartet, dass mir der Premier den Thron vor die Palasttür stellt. Ich starrte das Telefon an, als könnte es mir eine Antwort auf die Frage geben, ob ich tatsächlich aufgewacht war oder noch in einem absurden Traum steckte. Ich ging kurz duschen und wusch mir die letzten Farbreste aus den Haaren. Während unseres Frühstücks wirkte Simon viel gelassener als ich. Er habe heute früh mit seinen Eltern telefoniert. Sein Vater meinte, die Namenswahl Alexander IV. würde die Schotten besonders freuen, da meine Namensvorgänger ihre Könige waren. Wenn Simon nicht diese Ruhe ausgestrahlt hätte, wäre ich wohl durchgedreht.
    Er bestimmte auch das Outfit: Halbschuhe, schwarze, gerade Jeans ohne Gesäßtaschen, weißes Hemd, schwarze Krawatte und dunkelgraues Jackett.
    Von der Quartierstraße aus waren bereits Teleobjektive auf die Villa gerichtet. Ich verabschiedete mich von unserem Nachbarn und Simons Eltern, die extra noch auf eine Kurzvisite zu uns gefahren waren, während Botschaftsangestellte unsere Taschen hinaustrugen, mit DVDs und Blu-ray-Discs drin, die es im Palast bestimmt nicht gab. Noch einmal kontrollierte ich nervös, ob ich die Brieftasche und die Schlüssel eingesteckt hatte. Etwa mit demselben Stechen im Bauch wie bei meinem Einrücken in die Rekrutenschule verließ ich die Villa. Oft würde ich wohl nicht mehr herkommen, oder vielleicht doch, wenn uns die Briten wieder rausschmissen? Draußen auf der Straße hatte ich mein erstes kleines Bad in der Menge. Die Leute aus dem Quartier waren neugierig geworden und so schüttelte ich ein paar Hände. Simon blieb stets drei Schritte hinter mir, wie sich das nun gehörte. Statements für die Presse gab ich keine.
    Wir rollten in der Botschafter-Limousine, begleitet von zwei Streifenwagen, aus der Stadt hinaus und über den Berg nach Dübendorf. Die Fahrt auf Nebenstraßen dauerte nicht sonderlich lange. Der Botschafter kommentierte unser sportliches Outfit nicht, also würde es durchgehen.
    Wenig später fuhren wir durch die Eingangskontrolle des Flughafens und anschließend durch den Gebäude-Halbkreis am Westende zu den Fahnen und der Ehrenformation, die bei einem kleineren Passagierjet mit dem Zeichen der British Air Force bereitstand. Etwas weiter entfernt konnte ich auch den Bundesratsflieger mit dem Schweizerkreuz entdecken. Wir wurden vom Botschafter frostig, aber formell korrekt als König und Prince Consort der Bundesrätin Leuthard vorgestellt. Die von zwei Bundesweibeln – Amtsdiener der Eidgenossenschaft in traditionellem rot-weißem Kostüm – flankierte Magistratin bekleidete dieses Jahr zusätzlich das Amt der Bundespräsidentin, weshalb sie für den Empfang oder die Verabschiedung von Staatsoberhäuptern zuständig war. Sie fixierte mich mit ihren großen Augen und betonte die hohe Ehre für die Schweiz, dass einer ihrer Bürger über Nacht das englische Staatsoberhaupt geworden sei. Ich versicherte ihr, dass ich die Schweizer Staatsbürgerschaft nicht niederlegen werde, und log, dass ich der Ansicht sei, ihre Partei, die CVP, spiele als politische Mitte eine wichtige Rolle in einer Zeit zunehmender Polarisierung. Die Partei der Bundespräsidentin blockierte auch die explizite Erwähnung von Homosexualität als Asylgrund und die Homo-Adoption sowieso und das nahm ich ihr übel. Doch bei diesem Staatsakt behielt man so etwas selbstverständlich für sich.
    Eine Militärkapelle spielte die Hymnen, und ich trat mit Frau Leuthard durch das Spalier höherer Offiziere. Es folgte ein letzter Händedruck mit der Bundespräsidentin. Oben auf der Gangway drehte ich mich um und winkte, wie das Staatsleute eben tun. Die Offiziere bildeten nun einen Keil mit Öffnung zu mir und salutierten. Ich nahm den Gruß nach Schweizer Art – mit Handfläche nach unten – ab und drehte mich ins Flugzeug um. Irgendwie würde mir das Schweizer Militär doch fehlen.
    Im Flugzeug begrüßte mich der Kapitän. Ein Mr Grant in Anzug mit Fliege und Hornbrille stellte sich als mein Privatsekretär vor. Ich bemerkte den weißen Lehnenschoner mit den goldenen Buchstaben „A IV R“. Die Chiffre bedeutete auf Latein Alexander Quartus Rex . Alles war noch ein Stück wirklicher geworden und so allmählich wurde es mir unheimlich.
    „Herzliches Beileid, Eure Majestät, bitte, Sire.“
    Mr Grant bat mich

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