Plötzlich Royal
vorbeizurennen“, meinte der Lord Great Chamberlain gereizt. „Diese ganze Zeremonie, diese Krönung light, war doch ein Witz, Premier. Die Proklamation im Tower und der Staatsakt mit dem Gesetz hätten mehr als gereicht. Das Trauerjahr hätte Ihnen die Zeit gegeben, mit der Kirche wegen seines schwulen Freunds zu verhandeln. Ihre Leute klingeln einen nachts um drei seinetwegen aus dem Bett, um die Zeremonie vorzubereiten.“
„Bitte! Ich höre erst Ihnen zu, Premier“, unterbrach ich den wohl übernächtigten Lord. „Was wollte mir der Bischof in den Mund legen?“
„Ich weiß nicht, warum das eben geschah“, rechtfertigte sich Cramer. „Das Sekretariat des Oberhauses scannt gerade die von Sascha – ich meine Seiner Majestät – unterschriebene Eidesformel und stellt sie ins Netz. Sagen wir einfach, der Erzbischof hatte eine falsche Version. Die Krönung light, wie Sie, Lord Great Chamberlain, das nennen, war notwendig, weil es mit der jetzigen Generation von Bischöfen nie eine echte Krönung geben wird. So ist das Problem der Krönung für mich abgehakt und ist nun Saschas Problem, falls er das will, was ich bezweifle!“
Die beiden starrten einander verärgert an.
„Gehen wir zusammen zur Unterzeichnung, dann sieht es so aus, als gehörte Ihr Spurt zur Zeremonie! Sie und Ihre Leute haben großartige Arbeit geleistet, Lord Great Chamberlain“, versuchte ich mich als Mediator.
Der Lord bedankte sich mit einer Verbeugung aus dem Nacken und führte mich wieder hinaus in die Royal Gallery. Wir wurden mit Fanfaren angekündigt und setzten uns an einen inzwischen vor dem Kind Edward’s Chair aufgestellten Tisch, an dem 1931 das Statut von Westminster – also die Gründung des Commonwealth – unterzeichnet worden war. Die Bill of Royalty wurde zuerst vom Mr Speaker des Unterhauses unterzeichnet, dann vom Lord Speaker des Oberhauses, dem Mr Speaker des Schottischen Parlaments, und danach unterschrieb ich mit „King Sascha“. Man legte die Kugelschreiber in ein spezielles Etui, posierte für ein Foto, dann wurde applaudiert, und unter dem Klang einer weiteren Fanfare führte uns der Lord Great Chamberlain über die Normannentreppe hinab am Spalier vorbei zum gepanzerten Wagen. Die traditionelle Kutschfahrt müsse leider aus Pietät gegenüber dem verstorbenen König entfallen und ich müsse ein paar Tage im Ritz wohnen, bis die Sicherheit in den Palästen wiederhergestellt sei.
Das waren alles andere als beruhigende Vorzeichen für meine Regentschaft.
Tea Time im Ritz
Die kurze Fahrt mit Blaulichteskorte dauerte auf den kurzfristig für den normalen Verkehr gesperrten Straßen nicht sehr lange. Wir hielten vor dem Ritz direkt auf der Straße. Der Hotelmanager und der Stab wurden uns vorgestellt, man fragte nach meinen Wünschen. Ein Salatteller auf das Zimmer würde vorerst reichen. Eine charmante, indischstämmige Dame führte uns in die Green Park Suite: ein königlich eingerichteter Raum mit Ehebett und Wohnbereich. Unsere Taschen waren auch schon da.
„Haben Sie WLAN für meinen Laptop?“, fragte Simon.
Die Dame zog eine kleine Visitenkarte hervor und reichte sie mir, da ich näher bei ihr stand. „Da sind alle Zugangsdaten zu unserem WLAN vermerkt“, erklärte sie. „Wir haben einen Verstärker oben im Gebäude, damit unsere Gäste auch auf den näher gelegenen Rasen des Green Parks arbeiten können. Zögern Sie nicht, über die Rezeption Hilfe anzufordern, wenn es nicht klappen sollte.“
Ich bedankte mich bei der Dame, wir würden nun alleine zurechtkommen. Ich legte den gelben Ordner auf ein Tischchen und hängte das Jackett in den Kleiderschrank. Simon checkte erst seine E-Mail und schaltete dann den Fernseher ein, es war Punkt dreizehn Uhr. Die Nachrichten berichteten zuerst von König George und würdigten ihn mit einem kurzen Nachruf, dann wurden ein paar Momente aus der Krönungszeremonie gezeigt. Wer der andere junge Mann war, der schräg hinter mir schritt, wurde mit keinem Wort erwähnt.
„Dieser Bericht wird wohl weltweit verkauft, auch nach Jamaika und in andere Realms“, vermutete ich. Auf BBC-World suchte man nun nach einer Erklärung, warum sich der Zustand meines Großvaters nach anfänglicher Genesung verschlechtert hatte, und hielt es für sehr unwahrscheinlich, dass Sir Geoffrey als Einzeltäter agiert hatte. Zudem schätzte man, dass die Attentatsgefahr nach wie vor groß sei. Simon wechselte auf BBC 4 hinüber. In der Tat fuhr man dort einen anderen Kurs. Sir
Weitere Kostenlose Bücher