Plötzlich Royal
Wilfried und ein Reporter standen in der Royal Gallery vor dem altehrwürdigen Thron, wo zuvor die Krönung light stattgefunden hatte. Er gab sich zurückhaltend zufrieden, machte aber keinen Hehl daraus, dass er eine vollständige Zeremonie auf der anderen Straßenseite, also in der Westminster Cathedral, vorgezogen hätte, und bestätigte zu meiner Genugtuung, dass ich keine Fehler gemacht habe. Allerdings müsse er noch genauer recherchieren, wie es zu der Irritation mit dem unterschriebenen Blatt habe kommen können.
Ich zog es vor, unter die Dusche zu gehen, während Simon weiter durch die Nachrichtensendungen zappte. Man hatte uns im Hotel außer Sicht der Öffentlichkeit gebracht und mir war der ruhige Nachmittag mit Simon durchaus willkommen. Er schaute sich auf BBC 3 eine Dokumentation über die Royals an, von der Abdankung Edwards VIII. im Jahre 1936 bis heute. Ich hatte keinen Nerv für die Queen-Nostalgie und so musste Simon mit Kopfhörern zusehen, während ich mit dem gelben Ordner meine lückenhaften Kenntnisse über die Traditionen des Königreichs auffrischte. Gegen sechzehn Uhr klingelte das Telefon. Cramer wurde angemeldet, und ich ließ durchstellen. Nach kurzem belanglosem Smalltalk kam er schnell auf den Punkt.
„Wir hatten der Kirche den Kompromiss abgerungen, dass der Prince Consort an der vorläufigen Krönungszeremonie teilnehmen durfte. Nun steht die Beerdigung Ihres Großvaters an und es ist undenkbar, dass der neue König daran nicht teilnimmt.“
„Der Stolperstein ist Simon?“ Meine Frage war eher rhetorisch.
Selbstverständlich wollte der Erzbischof Simon von seiner Kathedrale fernhalten. In einem weltlichen Gebäude wie dem Westminster Palace sei dieser rein zivilrechtliche Vertrag zwischen mir und Simon zu akzeptieren, doch vor Gott sei Simon ein Außenstehender ohne Bezug zum britischen Königshaus und könne deshalb auch nicht in der zweiten Reihe im königlichen Gestühl sitzen, wie Cramer es angeregt hatte. Der Premier würde Simon deshalb eines der Regierungstickets überlassen und ihn direkt bei seiner Frau und sich selbst sitzen lassen. Mir war klar, dass daran wohl kein Weg vorbeiführen würde. Also akzeptierte ich, als ganz große Ausnahme.
„Dann bleiben wir in Kontakt. Danke, Premierminister.“
„Eure Majestät, wenn ich noch einen Punkt zur Sprache bringen dürfte?“
„Sicher, wir können übrigens leichter verhandeln, wenn Sie die formale Anrede auf den Anfang und den Schluss beschränken, solange das Gespräch nicht den Charakter eines Staatsaktes hat, David.“
„Einverstanden, Sascha, solange ausschließlich meine und Ihre engsten Berater anwesend sind. Ich möchte Sie darüber informieren, dass die Times morgen eine Umfrage veröffentlicht, nach der 28 Prozent der Befragten eine Umwandlung in eine Republik befürworten. Das ist sogar noch etwas schlechter als auf dem Höhepunkt der Krise um Dianas Begräbnis. Es ist nicht ganz so schlimm wie befürchtet, aber wir werden daran arbeiten müssen.“
Ich begann auf und ab zu gehen. Wenn der Premier solche Statistiken bemühte, dann war die Lage kritisch.
„Was schlagen Sie vor, David? Eine Rede?“
„Nein, eine kleine Parade, wenn Sie vom Ritz in den Buckingham-Palast umziehen. Colonel McLey wird die Details ausarbeiten. Er wird Sie morgen zusammen mit Grant aufsuchen. Prince Simons Gälisch wurde gerade im Fernsehen diskutiert, das ist sehr gut. BBC 1 hat sich zwar erst etwas geziert, Simon in den Top-News zu erwähnen, wegen des prüden Indiens, aber mein Pressesprecher redete denen gut zu.“
„Danke, Premierminister.“
„Wo haben Sie Simon eigentlich kennengelernt?“
„Meine und Simons Eltern, also eher meine Mum und Simons Vater, sind Mitglieder im Britischen Club in Zürich. Auf einem Ausflug auf der Rigi lernte ich Simon kennen, wir unternahmen viel zusammen, und da fiel mal ein Flyer von Pinkcross aus seiner Brieftasche.“
„Das ist der Dachverband für LGBT in der Schweiz, wenn ich mich recht an Ihre Akte erinnere. Über Ihre Mitgliedschaft in solchen politisch aktiven Verbänden werden wir in den kommenden Wochen sprechen müssen. Doch zurück zu Prince Simon. Ermuntern Sie ihn, seine schottischen Wurzeln öfter zu zeigen. Das hilft Ihrem Vereinigten Königreich gegen die schottischen Separatisten.“
„Werde ich gerne ausrichten.“
„Da wäre noch eine Sache, die man ins Auge fassen könnte. Wie Sie bestimmt wissen, Sascha, erfreut sich Prince William größter
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