Plötzlich Royal
Beliebtheit. Ein vertrautes Gesicht würde dem Ansehen der Monarchie gewiss zuträglich sein.“
„Es geht um den Titel Prince of Wales? In der Thronfolge wäre er aber nicht Nummer eins.“
„Das war nur so üblich bis jetzt. Sie selbst werden ja wohl nie im Sinne der Thronfolge legitime Nachkommen haben.“
Aus rein machtpolitischen Gründen müsste ich Cramers Vorschlag ablehnen, denn dadurch würde ich William zu einer Art Nebenkönig machen. Andererseits hatte ich es Cramer zu verdanken, dass ich nicht zwischen der Krone und Simon wählen musste.
„Als nicht erblicher Titel und als Gegenleistung für den Prince Consort ist das eine gute Idee, David.“
„Dann werde ich das so ausrichten, Majestät.“
„Ich danke Ihnen für die großartige Arbeit in einer schwierigen Situation, Premierminister, und übermitteln Sie meine besten Grüße an Ihre Familie.“
Kurz nach dem Telefongespräch mit Cramer brachte uns die Dame des Hotels zusammen mit einer Beraterin des Premiers einen roten Koffer von der Downing Street. In solchen Koffern wurden traditionell Dokumente der Regierung dem Monarchen zugestellt. Er enthielt aber zu meiner Beruhigung keine schwierigen Papiere, sondern eine Sammlung von Glückwunsch- und Beileidstelegrammen verschiedener Staatsoberhäupter, die ich nun mit Simon zusammen durchsah. Sogar der im Vergleich zum King Edward’s Chair doppelt so alte Heilige Stuhl wünschte dem neuen „ledigen“ König der Briten Gottes Segen für die vor ihm liegenden Aufgaben. Die Unterschrift war knapp als Benedikt XVI. zu entziffern.
Ich hatte nach dem Studium der Telegramme keine Lust auf Nachrichten, aber Simon wollte weiter fernsehen. Vielleicht brauchte er das, um zu begreifen, was über Nacht geschehen war. Ich telefonierte länger mit meiner Schwester, die zusammen mit Leopold sowie mit William und Kate auf Prinz Edwards Landsitz Bagshot Park außerhalb von London untergebracht war. Sie meinte etwas nachdenklich, vielleicht sei es doch eher Glück als Pech für sie gewesen, dass sie nun doch nicht meine Bürde tragen müsse. Danach versuchte ich meine Eltern zu erreichen, die nahmen gerade an einem sehr wichtigen Geschäftsessen teil, würden aber zurückrufen. Also bat ich die Hoteldame, mir den Fitnessraum zu zeigen. Auf meine Frage, was sie dem neuen König ganz allgemein raten würde, meinte sie, ein Lächeln gewinne mehr Herzen als die beste Rede.
Am nächsten Morgen wagten Simon und ich uns mit einer normalen schwarzen Jeans, dem offiziellen Windsor-Sakko und einer schwarzen Krawatte an das reichhaltige Frühstücksbüffet des Ritz. Dort hielt alles den Atem an, als wir beide den Saal betraten. Die Jeans trugen wir als Zeichen des Protests. Im Laufe der Nacht war es mir ziemlich heftig hochgekommen, all die Probleme und Nadelstiche, nur weil ich Simon liebte. Ich war davon überzeugt, dass die Schwierigkeiten am Krönungstag nur den Anfang darstellten, und die Aufklärung des Attentats ließ auch auf sich warten. Im Moment wurde der Buckingham-Palast fieberhaft nach weiteren Fallen abgesucht. Sir Geoffrey, der Kronzeuge, hatte sich einen Splitter aus dem Schädelknochen geschossen, der ins Gehirn eingedrungen war. Er wurde im künstlichen Koma gehalten und seine Ärzte zweifelten, ob er je für eine Vernehmung zur Verfügung stehen könnte.
Eine verlegene Höflichkeit herrschte um uns herum. Keiner wusste so recht, wie der korrekte Umgang mit mir, dem etwas knabenhaften Monarchen, aussah. Den Thron von England besetzte im Bewusstsein der Leute noch immer die Queen. Schon Großvater kämpfte mehr schlecht als recht dagegen an und nun hatte den Briten das Schicksal einen blonden, schwulen Lausbub in den Palast gesetzt. Nur die wenigsten glaubten wie Sir Wilfried daran, eine höhere Macht hätte mich hierher gebracht. Auch ich hatte Mühe mit dieser religiösen Vorstellung von der Monarchie.
Im Turing-Hotel hatte ich mich wesentlich wohler gefühlt als im Ritz. Der saudische Prinz, der drüben mit einem Mann im Nadelstreifenanzug frühstückte und ab und zu grimmig herüberschaute, würde mich und Simon wohl am liebsten auf der Stelle köpfen.
Protokollarisch standen wir im Niemandsland. Im Abstand von einer Viertelstunde fragte die hübsche Hoteldame nach meinem Befinden und wann Seine Majestät für Telefonate zur Verfügung stünde. Ich entschied mich für neun Uhr und ließ mir Tageszeitungen bringen. Es würde sich nicht vermeiden lassen, sich mit der Wirklichkeit
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