Plötzlich Royal
unauffällig Händchen.
„Bin ich naiv, dass ich an die Community glaube, als König mit der U-Bahn fahre und jetzt in einer Polizeistation sitze?“, fragte ich nach einigen Minuten des Schweigens.
„Ja, aber ich finde das süß“, meinte Simon.
„Wo, hast du gedacht, verbringen wir den ersten Abend als König?“
„Im Knast, wegen Schmusens auf dem Thron.“
Ich wuschelte meinem Simon durch die Haare, hörte aber auf, als der Polizist zu uns herübersah.
Endlich! Ein Beamter führte den rothaarigen, jungen Mann in engen Jeans und Chucks her. Timm schaute uns mit seinen großen hellbraunen Augen an.
„Krass!“, flüsterte er.
„Würde ich auch sagen. Weg hier“, mahnte ich ihn. Als Gepäck hatte Timm nur einen abgewetzten City-Rucksack bei sich.
Draußen prüfte ein Orkan die Engländer. Nun war der Wind lästiger als der Regen. Außer Sicht von Scotland Yard im Windschutz eines Hauses blieben wir drei stehen. Timm in seinen übertrieben pubertären Kleidern hatte so ein bezauberndes, unschuldiges Lächeln und seine Gesten waren fließend und weiblich. Simon und ich fanden ihn total süß.
Es brauchte keine Worte, wir drückten uns einfach. Timm bekam seine Gefühle nicht mehr auf die Reihe und heulte los. Seine Menschenrechtsorganisation, die hätten ihn wegen der ungenehmigten Aktion rausgeschmissen. Also knuddelte ich ihn einfach noch einmal und ich versicherte ihm, er dürfe bis auf Weiteres bei uns wohnen.
Timm scheute sich etwas vor dem Palast und hielt meine Hand, je näher wir kamen. Beim letzten Mal war er ja nicht gerade nett behandelt worden. Für mich stand diese Scheu in keinem Widerspruch zu seiner Aktion am Morgen.
Butler Fletcher übernahm hinter dem Dienstboteneingang unser Findelkind. Es gäbe ein paar Reserveunterkünfte für temporäres Personal. Morgen schaue man dann weiter, wie man dem jungen Mann helfen könne, versprach er.
Um Schlag zwanzig Uhr waren wir zurück im Büro. Von dort führte uns Butler Fletcher in den Grünen Saal, wo informelle Mahlzeiten eingenommen wurden.
Nach dem Essen erlaubte es die Etikette, in unsere Suite zu gehen. Endlich! Wir beiden konnten uns nebeneinander aufs Bett legen, die Laptops auf die Knie nehmen und nachschauen, was aktuell in der Welt los war.
Man hatte inzwischen im Nebel gestochert und über ein Blog aus England gerätselt. Da war ein Handy-Foto aufgetaucht, das zwei blonde Jungs im Jeanslook auf einer U-Bahn-Rolltreppe von St. James’s Park zeigte. Das Foto war nicht so gut und deshalb vertrat die Hälfte der Betrachter die Ansicht, ja, das sind Sascha und Simon, und die andere Hälfte meinte, in einer Millionenstadt wie London ließen sich immer Doppelgänger finden. Außerdem wäre es schon etwas heftig, wenn der König mit seinem Freund durch die U-Bahn rennt, worauf die anderen wieder Homophobie-Alarm auslösten. Selbstverständlich dürfe auch ein König mit seinem Freund unterwegs sein.
„Also! Der König hat aus seinem eigenen Vermögen die Kaution gestellt. Der tapfere Aktivist Timm übernachtet nun in einem Personalzimmer des Palasts. Timm ist als Emo sehr sensibel und deshalb hat ihm die Haft ganz schön zugesetzt. Wir im Palast sind aber zuversichtlich, dass morgen die Welt wieder besser aussieht. Gruß aus dem Palast, SunnyGay“, tippte dieses Mal Simon.
Ein Page-Reload später hatte schon activist66 gepostet.
„Super! Und die beiden in der U-Bahn, sind sie das? Guck neues Foto hier!“
Er verlinkte zu einem anderen Blog, der zeigte uns beim Kauf der Fahrkarten am Automaten. Ich warf gerade die Münzen ein und Simon hütete tapfer die Tasche.
„Der Kassier war schon in den Feierabend gegangen. Zudem darf für Kautionen kein Steuergeld verwendet werden. Also gingen Sascha und Simon eben mit dem Sicherheitschef zur Bank, um von Saschas Kreditkarte Geld abzuheben. Der Wagen blieb im Stau stecken und es ging nur mit der Tube weiter zur Polizei, um dort Timm zu befreien. Mittlerweile sind alle wohlbehalten zurück. Euer Palastmäuschen SunnyGay“, teilte ich an diesem Abend abschließend mit.
Auf Fernsehen hatten wir danach keine Lust mehr. Ich sah online noch die wichtigsten Tageszeitschriften durch, doch der Stadtausflug war kein Thema, die Paparazzi schienen das verpasst zu haben. Damit war der Tag gelaufen. Wir klappten die Laptops zu, kuschelten und schmusten noch eine Weile, dann duschten wir gemeinsam und legten uns schlafen. Unter der Decke entschwand ich gleich ins Reich der Träume und rannte
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