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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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mache mich gerade bettfertig. Ich ziehe mir schnell was über», erklärte der Hypnotiseur und zog sich eilig einen lila Bademantel an. Ich aber sprang schnell auf, rannte zu einem Ganzkörperspiegel, der in dem Wagen stand, und sah ... mich! Wirklich mich! Alles war da: Gesicht, Busen, Bauch ... mein geliebtes Hängebäuchlein!
    «Du hast also herausgefunden, was die ist?», fragte Prospero. Er deutete meine Hängebauch-Freude entsprechend und ging davon aus, dass alles gut gelaufen war. Schließlich war ich ja aus der Hypnose aufgewacht. Seine Frage verunsicherte mich: Ich hatte nicht herausgefunden, was die wahre Liebe ist, sondern mit Hilfe von Dee irgendwie geschummelt. Und obwohl ich das mit der wahren Liebe anfangs nur herausfinden wollte, um wieder in die Gegenwart zu gelangen, war ich jetzt doch enttäuscht, es nicht herausgefunden zu haben.
    «Sie sehen auf einmal gar nicht mehr so glücklich aus», bemerkte Prospero überrascht.
    «Sie haben mich unfreiwillig auf eine Reise geschickt, bei der man mich umbringen wollte. Und ich war in einem Männerkörper. Soll ich Sie da vor lauter Freude abknutschen?»
    «Ich verstehe Ihren Unmut», antwortete Prospero voller Anteilnahme: «Ich selbst war in einem früheren Leben einmal Konkubine bei Caligula... ich sag Ihnen, was der mit mir, Honig und einer Karotte anstellte ...»
    «... das will ich gar nicht wissen.»
    «Aber Sie fühlen sich doch jetzt besser, wo Sie wissen, was die wahre Liebe ist? Dadurch kennen Sie doch endlich das Potenzial Ihrer Seele ...», fragte Prospero verunsichert. Seine anderen Hypnoseopfer waren offenbar sehr viel dankbarer. Ich hatte keine Lust mehr, mit ihm zu reden oder mich gar mit ihm zu streiten, und verließ rasch seinen Zirkuswagen, was ihn sichtlich konsterniert zurückließ.
     
    Ich wandelte durch die abendliche Stadt, vorbei an lärmenden Autos, Straßenlaternen und Jugendlichen mit Kopfhörern in den Ohren. Und diese meine Heimat kam mir überraschenderweise viel trüber vor als das mittelalterliche London. Es war ein bisschen so, als ob man aus dem Kino kommt und sich fragt: Hey, warum kann unsere Welt nicht so farbenfroh, lebendig und aufregend sein wie das eben auf der Leinwand? Zu Hause angekommen, ging ich erst mal aufs Klo. Sitzend. Eine Betätigung, die mir noch nie so viel Freude bereitet hatte.
    Danach duschte ich ausgiebig, und während das Wasser auf mich prasselte, dachte ich nach: Ganz vergeblich war der Trip in die Vergangenheit nicht gewesen, hatte ich doch einiges gelernt: Ich musste mein Leben nutzen. Und ich wollte schreiben. Ich hatte schon viel zu viele Jahre mit der falschen Berufswahl verplempert. Morgen würde ich kündigen, Arrivederci sagen zu Grundschülern, Grundschülereltern und Schulreformen, die jeden darin Sinn Suchenden in den Freitod treiben konnten.
    Kaum hatte ich das beschlossen, fielen mir schon beim Abtrocknen unzählige Geschichten ein, die ich schreiben könnte, eine viele Jahre andauernde Blockade fiel mit einem Male weg. Die Ideen für Geschichten purzelten nur so aus meiner Phantasie: Da war das Märchen von Cinderella, Schneewittchen und Rapunzel, die herausfinden, dass sie alle mit dem gleichen Prinzen verheiratet sind. Da war die Geschichte der Karrierefrau, die in eine Ameise verwandelt wird. Und da war die Story von Jack the Ripper in einer Musical-Variante (ich habe nicht gesagt, dass nur gute Geschichten purzelten). Ich setzte mich mit einer Kladde und einem Kugelschreiber an meinen Küchentisch, schrieb die ganze Nacht durch und machte mich dann morgens, von mehreren Kaffees aufgeputscht, auf den Weg in die Schule zu meiner alten Rektorin, um zu kündigen. Bei dieser Rektorin handelte es sich um eine äußerst korrekte Frau, die mich abgrundtief verachtete, weil ich in so vielen Bereichen, die ihr unendlich wichtig waren, einfach kein Talent besaß: Pünktlichkeit, Ordnung, Kopfrechnen - Letzteres war besonders tragisch, da ich es unterrichtete.
    Als ich ihr Büro betrat, saß die alte Dame über Akten gebeugt. Eigentlich saß sie immer über Akten gebeugt. Gegen diese Frau wirkte Queen Elizabeth, die ich in der Vergangenheit kennengelernt hatte, regelrecht flippig. Ich hatte stets vermutet, dass sie schätzungsweise 1972 das letzte Mal gelacht hatte.
    Ich erklärte ihr, dass ich kündige, da ich schreiben wolle, dass in mir die Seele eines Schriftstellers wohne. Und in meinem Überschwang verriet ich ihr auch, dass es sich dabei um die Seele von William

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