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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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war, erklärte ich ihm einfach das, was mir schon Prospero verkündet hatte: «Man darf das Schicksal nicht austricksen.» Und ich fügte noch hinzu, was ich in diesem Augenblick begriff: «Nur wer sich dem Schicksal stellt, wird belohnt.»
    Der Chinese kommentierte meine Erkenntnis lapidar mit: «In unselem Dolf haben wil einen Vellückten, del schleibt solche Splüche auf und stopft sie in Kekse.»
    Der Alchemist aber verstand, was ich meinte. Er legte den Arm um mich und erklärte: «Du bist eine weise Frau, Rosa. Auch wenn du derzeit ein Mann bist.»
    Ich war geschmeichelt, doch nur für einen kurzen Moment, denn Dee wollte von mir wissen: «Und, was gedenkst du nun als Nächstes zu tun?»
    So viel war klar: Um mich meinem Schicksal zu stellen, musste ich die wahre Liebe finden. Was nicht einfach war, hatte ich doch für meine Suche immer noch keinerlei Anhaltspunkte.
    Es sei denn, meine verwirrten Gefühle zu Shakespeare hätten damit zu tun?
    Nein, das konnte nicht sein! Das wäre doch völlig absurd. Zwei Menschen in einem Körper, das war gewiss nicht die wahre Liebe. Über so einen Unsinn durfte ich nicht mal ansatzweise nachdenken. Zumal ich gerade noch ein ganz anderes, dringlicheres Problem zu lösen hatte: Wenn ich nicht bis heute Abend Essex und Maria verkuppelt hätte, dann würde mich die Queen hinrichten lassen. Und dass die Gräfin sich in mich bzw. in Shakespeare verknallt hatte, machte meine Kuppelei-Versuche nicht gerade einfacher.
    Ich bat Dee, mich zu Maria bringen zu lassen, und der Alchemist versprach, sein Assistent Hop-Sing würde mich hinfahren. Der kleine Chinese schlug darauf angewidert vor, dass ich mich erst mal baden solle, stank ich doch noch immer wie eine Ratte. Aber ich erwiderte grinsend: «Das ist gut so. Je mehr ich stinke, desto weniger wird mich die Gräfin wollen.»
    Der Chinese führte mich naserümpfend in den Hof zu einer Kutsche, die innen mit Bildern betender Shinyen-Mönche verziert war. Der Alchemist war wirklich ein Fan von diesen tibetischen Glatzköpfen, die ich bis vor ein paar Tagen noch nicht einmal gekannt hatte. Ich fragte mich: Würde ich durch diese Tibeter ein glücklicherer Mensch werden, oder würde ich hier in der Vergangenheit elendig verrecken? Bei Ersterem würde ich ihnen vor Dankbarkeit die Glatze küssen, bei Letzterem würden die Mönche auf meiner Beliebtheitsliste sogar noch hinter Nazis und Zahnärzten landen.
    Hop-Sing fuhr mich durch das morgendliche London, das von den zarten Strahlen eines wunderschönen Sonnenaufgangs beschienen wurde. Die ersten Händler bauten in den Straßen ihre Waren auf, neben auf dem Boden liegenden schnarchenden Männern, die es nachts nicht nach Hause geschafft hatten. Kinder machten sich entweder auf den Weg zur Schule, oder sie raubten die schlafenden Betrunkenen aus, je nachdem. Das elisabethanische London so erwachen zu sehen, zu spüren, wie der Puls dieser Stadt von Sekunde zu Sekunde schneller schlug, war ein erhebendes Gefühl. Dieser Ort elektrisierte mich, ließ meine Sinne wacher werden. Ein Teil von mir wollte am liebsten auf ewig hierbleiben, so wie Shakespeare ja auch für kurze Zeit in der Zukunft verweilen wollte. Aber dies war natürlich eine völlig abwegige Vorstellung: Ich konnte doch nicht einfach hierbleiben, auf ewig in Shakespeares Körper. Oder vielleicht doch?
     
    Als die Sonne am Morgenhimmel aufgegangen war, hielt die Kutsche vor dem Schloss. Jetzt galt es: Ich musste die Gräfin dazu bringen, am heutigen Abend zu dem Fest der Queen auf das Admiralsschiff zu gehen. Dort würde sie auf Essex treffen, und ich könnte die beiden endlich miteinander verkuppeln.
    Ich schlug den schmiedeeisernen Klopfer an die Tür, und nach einer Weile öffnete mir die Gräfin Maria höchstselbst. Freudestrahlend rief sie aus: «William Shakespeare, du bist tatsächlich zu mir gekommen!»
    Eigentlich hätte ich ihr sofort beichten sollen, dass ich sie nicht liebe, doch tatsächlich war ich erst mal nur erstaunt, dass ich mich in der Anwesenheit der Gräfin nicht mehr unterlegen fühlte. Ich verspürte auch keinerlei Eifersucht mehr, denn ich hatte ja endlich akzeptiert, dass die Seelen von Jan und ihr zusammengehörten. Froh über meine neugewonnene Souveränität, lächelte ich die Gräfin an. Sie deutete dies prompt falsch und fiel mir glücklich um den Hals. Dass ich noch ganz übel roch, schien sie noch nicht einmal zu bemerken. Oder, wie Hop-Sing anmerkte: «Die Dame ekelt sich anscheinend vol

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