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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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nichts.» (Ein Satz, der mir auch oft durch den Kopf schoss, wenn ich in Promi-Magazinen Carla Bruni sah.)
    Während ich Hop-Sing mit der Hand bedeutete, in der Kutsche zu verschwinden, drückte die Gräfin mich so fest, dass ich kaum atmen konnte. All das nur, weil sie sich von den schönen Worten des Sonetts hatte verzaubern lassen. Diesen Zauber musste ich brechen:
    «Wir beide können kein Paar werden», erklärte ich und stieß sie von mir. Etwas rüder sogar als nötig, um meine Haltung zu bekräftigen.
    «W... warum nicht?», fragte sie und wirkte mit einem Male ganz zerbrechlich. Ich bekam Mitgefühl mit ihr und wollte ihr nun möglichst wenig wehtun. Daher log ich: «Ich ... ich bin quer.»
    «Das heißt, du ... du liebst mich nicht?», fragte sie mit zittriger Stimme.
    «Genau so ist es, ich liebe nur Männer», antwortete ich, nun nicht lügend.
    Die Gräfin zitterte nun am ganzen Körper. Jahrelang hatte ich mir gewünscht, Olivia mal so richtig das Herz zu brechen, so wie sie gemeinsam mit Jan mein Herz gebrochen hatte. Aber jetzt, wo ich die Möglichkeit dazu hatte, tat sie mir nur noch leid.
    «Wenn dies so sein soll», flüsterte sie, um Tapferkeit bemüht, «werde ich meinem ursprünglichen Lebensplan folgen.»
    «Ursprünglicher Plan?», fragte ich nach.
    «Ich werde sieben Jahre in diesem Schloss leben, ohne einem Mann zu begegnen.»
    Das konnte ich nicht zulassen, sie musste ja heute zu dem Fest der Königin auf das Admiralsschiff kommen, daher erklärte ich eilig: «Wenn Sie heute Abend nicht freiwillig der Einladung der Königin folgen und sich mit Essex vermählen, wird die Queen Sie hinrichten lassen.»
    «In diesem Falle werde ich meine Pläne ändern», erwiderte die Gräfin nach einem kurzen Moment des Innehaltens.
    «Das ist gut», atmete ich erleichtert auf.
    «Ich werde mich gleich im Teich ertränken.»
    «WAS?»
    «Ich werde meinem tristen Leben ein Ende bereiten.»
    Noch bevor ich dagegen protestieren konnte, knallte die Gräfin mir die Schlosstür vor der Nase zu.
    Die Menschen in der Vergangenheit waren zwar viel lebendiger als wir, aber wenn es um die Liebe ging, waren sie wirklich manchmal etwas extrem. Bei uns in der Zukunft waren die Gefühle der Menschen oft oberflächlich - viele Männer liebten ihr iPhone mehr als die Freundin -, aber hier im England von William Shakespeare wäre es für die ein oder andere Frau vielleicht sogar besser gewesen, etwas weniger zu empfinden.
    Ich rannte um das Schloss herum und sah, wie die Gräfin auf den tiefen Teich zuging. Hastig packte ich sie und forderte sie auf, sich nicht zu ertränken. Doch anstatt zu antworten, tat die Adelsdame etwas, was auch viele Hollywoodheldinnen taten, wenn ein Mann sie packte, jedenfalls die Heldinnen rustikalerer Komödien: Die Gräfin trat mir voll in die Weichteile.
    Mir hatte es noch nie so wenig Freude bereitet, ein Mann zu sein.
    «Eiyeiyeiyeü», rief ich mit beunruhigend hoher Stimme.
    Die Gräfin ging indessen in den See und stand schon knietief im Wasser. Es gab keine andere Wahl, ich rief mit kieksender Stimme: «Gräfin, ich liebe Sie doch!»
    Maria drehte sich zu mir um und blickte mich ungläubig an.
    «Es ist wahr, ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist!», bekräftigte ich, bereits mit etwas tieferem Timbre.
    «Wenn dies so ist», forderte sie mich auf, «beweise es mir.» «Beweisen?», fragte ich überrascht. «Küsse mich.»
    Eine andere Form des Beweises wäre mir lieber gewesen. «Küsse mich voller Leidenschaft.»
    Sogar deutlich lieber. Aber hier ging es um ein Leben. Also nahm ich all meinen Mut zusammen, stapfte ins Wasser und nahm die Gräfin in meine Arme. Sie schloss die Augen, spitzte die Lippen und sah dabei ziemlich albern aus. Zögerlich betrachtete ich sie und fragte mich, ob ich als Frau vor dem Küssen auch so skurril aussah?
    In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie eine Frau geküsst und auch nie sonderlich den Wunsch danach verspürt. Außer dem einen Mal in der achten Klasse, als ich vor lauter pubertärer Neugier bei einer Pyjama-Party mit meiner Klassenkameradin Bille im angeschickerten Zustand es beinahe mal ausprobiert hätte, doch dann knutschte Bille lieber mit Gitta. Das gab meinem Selbstbewusstsein einen Knacks, denn weder Jungs noch Mädchen wollten mich in der Pubertät küssen (Gitta ist heute übrigens eine glücklich verheiratete Anwältin, Bille Trainerin im Damenfußball).
    Da ich zögerte, näherte sich jetzt die Gräfin mit ihren Lippen den

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