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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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Nerventee aufzugießen.
    «Vergiss es», erwiderte ich daher, «jedenfalls bin ich durch diesen Mann kein Klischee mehr! Also sollte ich auch endlich aufhören, mich wie eins zu benehmen, und euch endlich heiraten lassen!»
    Meine Worte hallten durch das Kirchenschiff, ohne dass irgendeiner reagierte. Erst nach einigen langen Sekunden des Schweigens traute sich der Pastor zu fragen: «Ähem, heißt das, ich kann jetzt mit der Trauung fortfahren?»
    «Ja», erwiderte ich und verkündete der verblüfften Kirchengemeinde: «Die Seelen dieses Brautpaars sind füreinander bestimmt.»
    Und damit war das grandiose Comeback des Klischees kläglich gescheitert.
     

53
    Noch vor dem Ja-Wort verließ ich die Kirche. Holgi wollte mich nach Hause fahren, aber ich ließ ihn einfach stehen, ohne ihm zu erklären, was mit mir los war. Ich nahm ein Taxi zum Zirkus. Holgi war mein Freund, und als solchen liebte ich ihn, aber Shakespeare musste ich alleine loswerden. Ich hoffte inständig, dass es Prospero gelingen würde, ihn in seine Zeit zurückreisen zu lassen.
    Mein Taxifahrer hatte sich offenbar schon länger nicht geduscht und roch dementsprechend schon mal nach altem London. Um meine Nase von ihm abzuwenden, blickte ich aus dem Fenster und erlebte noch einmal, wie anders, wie viel weniger lebendig es bei uns zuging als zu Shakespeares Zeiten. Wir Menschen der Gegenwart waren wirklich viel zu schlecht drauf dafür, wie gut es uns eigentlich ging. Und ich war stets zu schlecht drauf gewesen dafür, wie gut ich es eigentlich hatte.
     
    Als ich zu dem Zirkusplatz gelangte, war die Vorstellung bereits zu Ende. Prospero, der noch den Mantel aus seiner Show trug, zahlte vor seinem Wagen eine junge Frau aus, die er sicherlich an diesem Abend angeblich hypnotisiert hatte. Just, als sie ging, wachte Shakespeare wieder auf, und ich verlor erneut die Macht über meinen Körper. Shakespeare war irritiert, nicht mehr in der Kirche zu sein, und während Prospero hinter sich die Tür schloss, ohne uns zu bemerken, berichtete ich meinem Körpermitbewohner aufgeregt, was bei der Hochzeit- alles passiert war: dass er mit Jan recht hatte, dass Jan und Olivia zusammengehörten und dass ich dies begriffen hatte, weil er mir viel näher stand, als es Jan jemals war. Dass er mir viel gegeben hatte, dass ich durch ihn das Schreiben entdeckt hatte, ich dabei das erste Mal mit einem Menschen so zusammengearbeitet habe wie mit ihm an dem wunderbaren Sonett und dass ich es am liebsten sofort gemeinsam mit ihm vollenden würde ...
    «Du hast Essex für mich verlassen?», unterbrach ich erstaunt Rosa in ihrem Redefluss.
    «Also erst mal war es nicht Essex, sondern Jan», begann ich zu erklären. «Zweitens habe ich ihn nicht verlassen, sondern nur vor dem Altar stehen lassen, und drittens ...», da fiel es mir erst selber auf, und ich war davon mit einem Mal erschrocken, «... mag ich dich wirklich mehr als ihn.»
    «Du liebst mich doch nicht etwa, oder?», fragte ich voller irritiertem Staunen.
    William stellte damit eine wirklich überraschende Frage. Und noch überraschender war, dass ich sie überhaupt nicht richtig beantworten konnte. Über Shakespeare hatte ich bisher nur in der Kategorie < mögen> nachgedacht, aber wenn ich ihn mehr mochte als Jan, über den ich bisher nur in der Kategorie nachgedacht hatte, was bedeutete das dann? Mitten in meinem unentschlossenen Schweigen erklärte Shakespeare scharf:
    «Du kannst mich nicht lieben! Es gibt vieles, was dagegen spricht: Zum einen haben wir nicht genug Körper. Zum anderen kann ein Mann wie ich in diesem Leben keine Liebe mehr erwarten.»
    Shakespeare versuchte entschieden zu klingen, aber seine Stimme zitterte, denn in ihr lag jede Menge Schmerz. Daher fragte ich ihn: «Meinst du nicht, es ist langsam an der Zeit, dass du mir erzählst, was mit dir und Anne geschehen ist?»
    «Ich soll endlich über meine Gefühle reden?»
    Shakespeare klang bitter, dann schwieg er eine Weile und setzte sich auf die Treppe von Prosperos Zirkuswagen. Schließlich begann er doch zu erzählen:
    «Anne stand auf dem Kirchturm. Sie weinte. Hemmungslos. Voll des Lügengiftes ihres Cousins, der behauptet hatte, ich hätte sie betrogen. Ich wollte sie am Springen hindern und ging auf sie zu. Anne blickte mich an, und ich spürte: Hätte ich ihr in diesem Augenblick die Hand gereicht ...sie hätte sie gefasst, und sie wäre gerettet gewesen... aber ich zögerte für einen kurzen Moment, denn ich... ich...»
    Er

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