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Ploetzlich Shakespeare

Ploetzlich Shakespeare

Titel: Ploetzlich Shakespeare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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wo ich mit deinem Körper hingehe», erklärte ich bestimmt.
    «Das ist Erpressung...», schimpfte ich, um meine Furcht zu überspielen.
    «Ist es nicht.»
    « Wie nennst du es denn dann?»
    «Freundliche Geiselnahme», grinste ich, während Hop-Sing die Kutsche vor dem Friedhof anhielt. Dieser lag direkt an der kleinen Dorfkirche, von deren Turm sich Anne heruntergestürzt hatte. Kein Wunder also, dass Shakespeare nie wieder hierher kommen wollte. Die Kirche sah von außen schnuckelig aus, man konnte sich durchaus vorstellen, mal in so einer zu heiraten, und auch der Friedhof war klein und anheimelnd, voller Blumen und kleiner unprätentiöser Grabsteine. Der schlichteste gehörte zu Anne. Als ich auf das Grab zuging, forderte ich Shakespeare auf: «Dichte für sie!»
    «Für Anne?», fragte ich mit zittriger Stimme.
    «Wenn du ein großer Schriftsteller werden willst, musst du dich deinem Schmerz stellen. Wenn du ihn weiter verdrängst, kommen auch in Zukunft nur unperfekte Werke wie heraus.»
    «Ich... weiß nicht so recht...», zögerte ich voller Angst.
    «Was willst du sein: ein großer Dramatiker oder ein leicht Überdurchschnittlicher, der feige vor seinen Gefühlen davonläuft?»
    «Och, leicht überdurchschnittlich ist ja auch fein ...», antwortete ich halbherzig.
    «Falsche Antwort.»
    «Ich weiß», gab ich kleinlaut zu.
    Ich blieb stehen und bat Shakespeare, das Ende unseres Sommertag-Sonetts zu verfassen. Vor dem Grab seiner großen Liebe versuchte Shakespeare, all seinen Mut zusammenzunehmen. Er setzte auch tatsächlich an ...
     
    «Dein ewiger Sommer...»
     
    ... hörte dann aber auch schnell wieder auf zu dichten.
    «Ich... kann das nicht...», erklärte ich kaum wahrnehmbar flüsternd.
    «Ich bin bei dir», antwortete ich aufmunternd. «Mehr, als mir manchmal lieb ist», musste ich leicht nervös auflachen.
    «Frag mich mal», lachte ich mit.
    «Lieber nicht», kicherte ich nun ein kleines bisschen gelöster. Und jener kleine Augenblick des gemeinsamen Lachens verlieh mir die Kraft, mich endlich meiner Trauer über Annes Tod zu stellen. So dichtete ich, wie ich in meinem Leben noch nie zuvor gedichtet hatte:
     
    Dein ew 'ger Sommer doch soll nie verrinnen,
    Nie fliehn die Schönheit, die dir eigen ist,
    Nie kann der Tod Macht über dich gewinnen,
    Wenn du in meinem Lied unsterblich bist!
    Solange Menschen atmen, Augen sehn,
    Lebt mein Gesang und schützt dich vor Vergehn!
     
    Als Shakespeare damit fertig war, hatte ich Tränen in den Augen. Mit seinen Worten hatte er etwas Wunderbares geschaffen: Seine Liebe zu Anne wurde unsterblich. Und damit auch Anne selber. Nach einer Weile des Schweigens erklärte Shakespeare mit sanfter, gelöster Stimme: «Rosa, du tust mir gut.»
    «Du mir auch», erwiderte ich aufrichtig. Und plötzlich fand ich es ganz und gar nicht mehr so absurd, den Rest meiner Existenz mit Shakespeare in der Vergangenheit zu verbringen.
     
     

56
    Hop-Sing setzte mich am Nachmittag vor dem ab. Dort war gerade eine Vorstellung von (Romeo und Julia» im vollen Gang. Allerdings handelte es sich bei der Aufführung um eine frühe, unfertige Version des Stückes. In dieser Variante wurde neben all der Romantik auch ein heiterer Tonfall angeschlagen, was man auch an frivolen Sätzen hörte wie jenem, den Kempe gerade dem Publikum zurief: «Besser gut gehenkt als schlecht geheiratet! »
    Die Zuschauer johlten dazu. Shakespeare aber erklärte mir, dass er «Romeo und Julia> bald umschreiben würde, in eine dramatische Romanze mit einem traurigen Ende. Die neue Geschichte, so nahm er sich vor, sollte gespeist werden aus dem Leid, das er mit Anne erlebt hatte.
    Durch das Dichten am Grab hatte Shakespeare endgültig eine neue Welt des Schreibens erobert. Jetzt, wo er sich seinem Schmerz gestellt hatte, konnte er endlich ein großer Autor werden.
    Doch vorher mussten wir erst einmal zu dem Fest der Queen gehen und unsere Aufgaben erfüllen. Aber so stinkend, wie wir waren, konnten wir da wohl kaum auftauchen.
    «Wir müssen die Klamotten wechseln. Und uns waschen», erklärte ich daher.
    «Uns waschen? Das heißt doch ...du wäschst mich?», fragte ich mit mulmigem Gefühl.
    «Wenn du keine bessere Idee hast...», erwiderte ich und hoffte, er hätte eine, war ich doch auch nicht allzu scharf darauf.
    «Wir könnten uns umziehen und mit Unmengen von Parfüm begießen», schlug ich vor.
    «Das ist keine bessere Idee», fand ich.
    «Das ist wohl wahr», gab ich

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