Ploetzlich Shakespeare
Jahre von der Menopause entfernt, die eine Frau, nach allem, was man so hörte, auch nicht gerade vor Freude Macarena tanzen ließ. Und an faltigen Alterssex glaubten zwar Paartherapeuten und Art-House-Filmer, aber mir fiel es schon immer recht schwer, mir vorzustellen, dass ich bei so einer geriatrischen Akrobatik jemals mitmachen würde. Also, was hatte ich groß zu verlieren, wenn ich hierbliebe?
Jetzt musste ich nur noch Shakespeare um Erlaubnis fragen.
«William», hob ich an, das Unmögliche zu fragen.
«Ja, Rosa?»
«Ich... ich ...» Ich hatte keine Ahnung, wie ich es formulieren sollte. Wie konnte man einen Menschen darum bitten, in Zukunft auf seinen Körper zu verzichten und so sein Leben auf ewig mit einem anderen zu teilen? Gut, Shakespeare hatte mich zwar in meiner Gegenwart danach auch gefragt, aber da war er in einer Ausnahmesituation gewesen. Und selbst wenn ich, direkt vor der Rückkehr hierher, für einen kurzen Augenblick überlegte, ihm noch ein bisschen Zeit in meinem Körper zu gewähren, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er von meinem Vorschlag begeistert sein würde. Vermutlich würde er mir etwas antworten wie: Gegen dich wirkt Heinrich der Achte mental vergleichsweise stabil.
«Was willst du?», fragte ich nach.
«Vergiss es», antwortete ich feige.
«Wenn du möchtest», respektierte ich Rosas Wunsch.
Er hakte tatsächlich nicht nach. Das wurmte mich dann doch. Wenn William etwas für mich empfinden würde, und ich wollte jetzt doch wirklich sehr, dass er dies täte, dann hätte er wohl nicht so leicht nachgegeben. Oder? Daher zickte ich ihn an: «Du gibst dich aber leicht zufrieden.»
«Wie belieben zu meinen?»
«Du könntest ruhig mal nachfragen, was ich will.»
«Das habe ich bereits. Darauf hast du geantwortet: »
«Aber ich hätte gerne, dass du noch einmal nachfragst und mir die Brücke baust, die mein Herz öffnet.»
Rosa wollte mir ihr Herz öffnen? Hegte sie womöglich tatsächlich Gefühle für mich? So, wie ich es in der Zukunft schon mal vermutet hatte? Und was wäre, falls dem so war? Wie sollte ich darauf reagieren? Daher fragte ich arg unsicher:«Was begehrst du?»
«Nun, ich...», stammelte ich und hörte dann auf zu reden.
Ich war zwar froh, dass er noch mal nachfragte, traute mich aber immer noch nicht, meine Wahnsinnsidee zu äußern, und sagte daher: «Ach, vergiss es.»
«Männer und Frauen mögen zwar gleich sein», seufzte ich daraufhin. «Aber Frauen sind komplizierter.»
«Okay», entschloss ich mich. «William», ich nahm all meinen Mut zusammen,«ich möchte gerne bei dir bleiben!»
«Bei mir?», fragte ich zutiefst überrascht.
«Ja, bei dir. Für immer.»
«Für immer?»
«Du musst nicht alles wiederholen.»
«Muss ich nicht?»
«Nein.»
Shakespeare antwortete nicht mehr. Sicher hatte ich ihn zutiefst abgeschreckt.
Bislang hatte ich über Rosa nur als gute Gefährtin nachgedacht. Als eine, wie ich sie noch nie die meine habe nennen können: ebenbürtig, scharfsinnig, schlagfertig. In vielerlei Hinsicht war Rosa faszinierend, in einiger womöglich gar faszinierender als Anne. Nie hatte ich für möglich gehalten, dass eine Frau dies sein könnte. Konnte es sein, dass ich jetzt, wo ich mich meiner Trauer um Anne gestellt hatte, endlich offen war für eine neue Liebe?
Bevor Shakespeare weiter schweigen konnte, baute sich der Chefspion Walsingham vor mir auf. Gut, so konnte Shakespeare wenigstens nicht erwidern, dass mein Ansinnen geisteskrank, wahnsinnig und unfassbar war.
Wäre Walsingham nicht hinzugetreten, ich hätte Rosa gestanden, dass ihr Gedanke geisteskrank, wahnsinnig und unfassbar war. Aber erstaunlicherweise auch verlockend.
«Wo ist das Sonett?», fragte Walsingham fordernd. Er trug eine noch breitere Halskrause als ich und eine noble Schärpe um den dünnen Bauch. Ich holte einen Zettel aus meiner Tasche, auf dem ich unser Sonett während der Rückfahrt von Stratford nach London notiert hatte. Walsingham las die Zeilen, und sein Gesicht bekam ganz sanfte, gerührte Züge: «Diese Worte sind wunderbar.»
«Ich weiß», antwortete ich, stolz auf meinen Anteil an dem Gedicht. Und noch stolzer auf Shakespeare, weil er sich am Grab von Anne mit seinem Schmerz konfrontiert hatte.
«Ich werde jetzt dieses Sonett der Frau vortragen, der mein Herz gehört.»
Es war nicht schwer zu kombinieren, dass es sich bei dieser Frau um die Königin handelte. Walsingham bedeutete mir, über die Planke auf
Weitere Kostenlose Bücher