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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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gehört zur Prosecco-Fraktion – nun ist es wohl eher Kir.«
    »Vielleicht ist sie dort«, bemerkte Nora Nauer.
    »Dann wäre sie nicht verschwunden. Ihr Mann hätte sie gefunden.«
    »Ich ruf gleich mal an.«
    Sie zückte ihr iPhone und war schon weg.
    Nun hatten wir also eine gemeinsame Mission: Rita Vischer suchen. Die Frage war: Wollte sie überhaupt gefunden werden? Wieso nicht Margrit Limacher suchen? Beide Frauen machten keinen zerbrechlichen Eindruck, keine esoterischen Tanten, keine bekannten Krankheiten. Ich machte mir eher Sorgen um Marcel Lüthi. Wenn man den Zynismuskoeffizienten als Grad der Überlebensfähigkeit nahm, dann hatte er wenig Chancen. Nashörner, Gorillas, Tiger, Wale – er würde ihren Untergang noch sehen. Vielleicht wollte er mit ihnen gehen.

7.
    Nora Nauer kam zurück.
    »Also«, erklärte sie, »Christian Vischer, ihr Mann, ist in Südfrankreich. Er ist im Häuschen, aber dort ist sie nicht. Sie hat keine Notiz hinterlassen. Sie hat ihre E-Mails nicht gecheckt, ihr Handy ist ausgeschaltet. In ihrem Büro liegen die Sachen so herum, als wäre sie nur einmal schnell zum Einkaufen weggegangen. Die Polizei hat man eingeschaltet, aber die machen nicht viel. Sie hat ja nichts verbrochen, und es gibt keinen Hinweis auf ein Verbrechen. Christian Vischer schließt eine Ehekrise aus. Er ist am Boden zerstört. Er hat auch gefragt, ob ich Rita hier gesehen habe. Sie waren einmal hier, in dieser Wohnung.«
    »Hat er ihre Bankkonten, Bewegungen auf Kreditkarten überprüft?«
    »Ja klar. Ein Freund bei der Stadtpolizei steht ihm bei.«
    »Dann hat sie keine elektronischen Spuren hinterlassen, ist also nicht geflogen.«
    »Ihr Auto ist auch noch da.«
    »Ihre Wanderschuhe?«
    »Sie hat offensichtlich nicht gepackt – es muss spontan geschehen sein.«
    »Jemand muss ihr geholfen haben, oder jemand hat sie mitgenommen. Auch wenn sie per Bahn fährt, braucht sie Geld, und das muss sie irgendwo abheben.«
    Nora Nauer seufzte. Ihre Ravioli hatte sie nicht aufgegessen. Der Salat stand unberührt da. Ich wagte es nicht, meine Nierchen an brauner Butter zu verspeisen.
    »Vielleicht hat sie es doch geplant«, sagte Nora Nauer, »vielleicht hat sie Geld während eines längeren Zeitraums gezielt abgehoben und einen Bargeldvorrat angehäuft. Vielleicht wollte sie, dass es spontan aussieht. Vielleicht möchte sie Aufsehen erregen. Sie weiß, dass sie das tut.«
    »Nur: bei wem? Und warum?«
    »Ihr Mann wird nach ihr suchen. Ihre Kinder. Ihre Partei kaum. Freunde werden sich beteiligen – sie hat viele Freunde.«
    »Und wir«, sagte ich.
    »Warum wir?«
    »Weil wir eine Spur haben. Manetti.«
    »Sie meinen, es hat etwas damit zu tun, dass sie Manetti gelesen hat?«
    »Vielleicht gibt es noch weitere Fälle. Ich habe schon Gerüchte gehört. Was ist zum Beispiel mit Marcel Lüthis Freundin?«
    »Marcel Lüthis Nummer habe ich noch. Ich rufe ihn gleich an.«
    Wieder war sie weg. Ich probierte die Nierchen – kalt, schon gummig. Schade.
    Sie kam zurück, mit einem irren Grinsen auf den Lippen.
    »Sie erraten nicht, wo er ist.«
    »Hier im Städtchen?«
    »In Kilchberg, in der Klinik. Er wurde vor zwei Wochen eingeliefert, von seiner Freundin. Er war durchgedreht. Sie haben ihn sediert.«
    »Ist das die selbe Freundin, die ihm Manetti nahegelegt hatte?«
    »Nein, eine neue. Von seiner alten Freundin war nicht mehr die Rede.«
    »Sollte es aber sein.«
    »Sie scheinen eine Theorie zu haben.«
    »Keine Theorie. Ich versuche nur, Nicht-Manetti-Leser auszuschließen. Wenn nur Manetti-Leser verschwinden, dann haben wir eine Art von Vermutung, noch keine wirkliche Theorie. Dazu müssten wir erklären können, was an Manetti Verschwinden auslöst.«
    »Ich habe keine Ahnung, ich bin ja auch erst in der Mitte. Alles klingt ganz vernünftig. Nichts Depressives oder Halluzinatorisches. Gesunde Ironie, heitere Aufklärung. Er hat übrigens etwas von Montaigne.«
    »Erwähnt er Montaigne?«
    »Oft. Man sollte wieder einmal Montaigne lesen.«
    »Montaigne – Manetti. Wo lebte eigentlich Montaigne?«
    Sie hatte immer noch ihr iPhone in der Hand und googelte ihn.
    »In Montaigne, Périgord. Da steht sein Schloss, man kann sein Klo und sein Bett besichtigen, Öffnungszeiten, Eintritt 3 Euro – mit Rabatt für über Sechzigjährige von 1 Euro.«
    Sie hielt mir die Website des Schlosses hin.
    »Ich kauf mir auch noch so ein iPhone«, brummte ich, »ohne so ein Ding ist man praktisch kein Mensch mehr.«
    »Es gibt jetzt ein

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