Poirot Rechnet ab
bleiben.«
Ihre Worte riefen eine vage Erinnerung in mir wach. Gesellschaftsklatsch – wenn ich mich recht erinnerte. Vor einigen Jahren waren Lord und Lady Yardly nach Amerika gefahren, und man erzählte, dass Seine Lordschaft sich mithilfe mehrerer Damenbekanntschaften großartig amüsiert hatte. Weiter wusste man zu berichten, dass Lady Yardly sich mittlerweile mit einem Filmstar in Hollywood die Zeit vertrieb – plötzlich durchzuckte es mich –, das war niemand anders als Gregory B. Rolf gewesen.
»Ich werde Ihnen ein kleines Geheimnis anvertrauen, Monsieur Poirot«, fuhr Miss Marvell fort. »Wir haben ein Geschäft mit Lord Yardly vor. Es besteht die Möglichkeit, dass wir einen Film in seinem mittelalterlichen Schloss drehen werden.«
»In Schloss Yardly?«, warf ich interessiert dazwischen. »Das ist eines der schönsten alten Schlösser Englands.«
Miss Marvell nickte.
»Ich glaube auch, es wäre gerade das richtige alte Feudalschloss, das wir brauchen. Aber er verlangt einen ziemlich gesalzenen Preis dafür, und deshalb weiß ich nicht, ob das Geschäft zu Stande kommt. Wissen Sie, Greg und ich verbinden immer gern das Geschäft mit dem Vergnügen.«
»Aber – ich bitte um Verzeihung, Madame, wenn ich so hartnäckig bin – es ist doch sicher nicht notwendig, anlässlich dieses Besuches in Schloss Yardly den Diamanten mitzunehmen?«
Ein scharfer, harter Zug erschien in Miss Marvells Gesicht, der ihre sonst kindliche Erscheinung Lügen strafte. Sie sah plötzlich viel älter aus.
»Ich möchte ihn dort tragen.«
»In der Schmucksammlung von Schloss Yardly gibt es ein paar sehr schöne Stücke, ist da nicht auch ein großer Diamant dabei?«, fragte ich.
»Ja, so ist es«, erwiderte Miss Marvell recht kurz angebunden.
Ich hörte, wie Poirot leise vor sich hin murmelte: »Ah, c’est comme ça!« Laut sagte er – in seiner üblichen Taktik, den Stier bei den Hörnern zu packen (er selber pflegte es Psychologie zu nennen): »Dann sind Sie sicher mit Lady Yardly bekannt? Oder kennt sie Ihr Gatte?«
»Gregory lernte sie kennen, als sie vor drei Jahren in Amerika war«, sagte Miss Marvell. Einen Augenblick lang zögerte sie und fuhr dann fort:
»Liest einer von Ihnen die Zeitung Gesellschaft s klatsch?«
Wir mussten beide schamvoll zugeben, dass wir sie gelegentlich aus Berufsgründen lasen.
»Ich frage, weil in der letzten Nummer ein Artikel über berühmte Juwelen erschienen ist, und es ist wirklich komisch – « Sie unterbrach sich.
Ich stand auf, ging zu dem Tisch am anderen Ende des Zimmers und kehrte mit der fraglichen Nummer zurück.
Sie nahm sie mir ab, schlug den Artikel auf und fing an, laut vorzulesen:
In die Reihe der berühmten Steine muss man den Star of the East einbeziehen, einen Diamanten im Besitz der Familie Yar d ly. Ein Vorfahre des jetzigen Lord Yardly hat ihn aus China mitg e bracht, und es wird behauptet, mit ihm sei eine romantische Geschichte verknüpft. Danach soll der Stein früher das rechte Auge einer Tempelgottheit gewesen sein. Ein anderer Diamant, völlig gleich in Form und Schö n heit, bildete das linke Auge, und die Sage berichtet, dass auch dieser Diamant im Laufe der Zeit gestohlen würde. Das eine Auge wird nach Westen gehen, das andere nach Osten, so lange, bis sie sich wieder begegnen. Dann werden sie im Triumphzug zu ihrer Gottheit zurückgeleitet we r den! Es ist ein merkwürdiger Zufall, dass auge n blicklich ein Stein, der beinahe völlig mit dem oben beschriebenen überei n stimmt, in England ist, und zwar der Star of the West oder Western Star! Er ist im Besitz der berühmten Filmschauspiel e rin Miss Mary Marvell. Ein Vergleich der beiden Steine wäre sehr interessant.
»Epatant!«, murmelte Poirot. »Zweifellos eine höchst romantische Geschichte.« Er wandte sich an Mary Marvell. »Und Sie haben keine Angst, Madame? Sie sind nicht abergläubisch? Sie haben keine Bedenken, diese siamesischen Zwillinge zusammenzubringen? Wenn nun plötzlich ein Chinamann auftaucht und, hey presto, die beiden Steine nach China abtransportiert?«
Sein Ton war leicht spöttisch, ich hörte aber trotzdem heraus, dass er es im Grunde ernst meinte.
»Ich glaube nicht, dass Lady Yardlys Diamant auch nur annähernd so gut ist wie meiner«, sagte Miss Marvell. »Aber ich werde es ja sehen.«
Was Poirot darauf erwidern wollte, kann ich nicht sagen, denn die Tür flog auf, und herein trat ein blendend aussehender Mann. Vom Scheitel bis zur Sohle sah er wie der
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