Poison (German Edition)
fest, dass es anscheinend genauso schwierig ist, die U-Bahn zu finden, denn ich laufe wie gesagt eine Stunde durch irgendeinen Wald, während es immer dunkler und dunkler wird, ich an einem See vorbeikomme, und bald gar nicht mehr weiß, wo ich eigentlich bin – ich habe mich rettungslos verlaufen. An der nächsten Kreuzung der Waldwege sind wieder seltsame Zeichen angebracht, ein weißes Rechteck und ein roter Winkel, deren Bedeutung mir völlig fremd ist. Der Versuch, nach dem Gehör zu laufen, bringt nichts, denn hier ist es still, bis auf das Rauschen der Blätter, das Zwitschern der paar Vögel, die hier leben und ab und zu ein Knacken ist nichts zu hören. Es dämmert, und es wird dunkler, meine Uhr zeigt Viertel nach acht, und mein Handy hat kein bisschen Empfang. Shit!
Da ich keine Menschenseele treffe, was mich auch nicht wirklich wundert, schlage ich den kreuzenden Weg nach rechts ein, in der Hoffnung, irgendwann wieder Netz zu bekommen, oder auf eine Straße oder Weggabelung mit Karte zu kommen. Eine knappe halbe Stunde später komme ich an einen Sportplatz und ein paar Baracken mitten im Wald – verlassen, ein bisschen baufällig. In den Schaukästen hängt eine Spielankündigung der Fußball-Regionalliga Hessen Mitte von 1992 – na, prima. Wenn das hier wirklich schon so lange leer steht, dann ... nein, kann nicht sein. SV Maintal... scheint östlich von Frankfurt zu liegen, wenn ich mich recht erinnere. Wenigstens gibt es eine Zugangsstraße, der ich folge, und dann komme ich zehn Minuten später tatsächlich auf eine Straße mit beginnender Wohnbebauung – und einer Bushaltestelle. Klasse, der nächste Bus kommt in einer dreiviertel Stunde. Also Taxi. Ich rufe die Taxizentrale an, die ich früher in Frankfurt am meisten angerufen habe ... Timecar, Rufnummer 20304. Eine kleine Zentrale, gut organisiert, freundliche und vor allem hilfsbereite Taxifahrer. Dort sagt man mir zu, mich binnen zwanzig Minuten abzuholen, und genau so geschieht es. Mit Achim fährt mich dann sogar ein Fahrer, den ich von früher her kenne und dem ich natürlich auch gleich erzähle, dass ich das »Poison’s« kaufen und zukünftig betreiben werde. Dabei fällt mir auf, dass ich eigentlich absolut keine Lust darauf habe, noch mehr angehimmelt zu werden. Peter ist damals nämlich furchtbar belabert worden, und alle möglichen Leute haben sich in dem Ruhm gebadet, mit ihm bekannt zu sein. Alles Radfahrer, Schleimer, versteht sich.
Auf dem Weg zum Hotel wächst ein Plan heran, der seinesgleichen sucht. Die einzige Hürde dürfte Brix’ Zustimmung dazu sein, denn ohne ihn werde ich dieses Projekt keinesfalls durchziehen wollen – und können. Aber die Idee, die ich gerade hatte, ist spitze. Vier Konzepte in einem ... Oh, Peter, woher kommt das Gefühl, dass das gerade DEINE Idee war? ... fühlt sich verdammt gut an.
Fassen wir zusammen. Früher bestand das »Poison’s« aus einer Diskothek mit zwei Etagen, Keller und Erdgeschoss, plus Wohnbereich im ersten Stock, den Peter aber als Abstellraum nutzte – und den Wintergarten dort als Terrasse für Events. Direkt angebaut – im Endeffekt im gleichen Gebäude – befand sich der »Regenbogenfisch«, eine Kneipe mit Erdgeschoss und Keller, der dazu gehörte. Dort soll inzwischen der türkische Pächter einen Hamam gebaut haben, also eine Sauna mit entsprechenden Räumlichkeiten. Gesetzt den Fall, wir nehmen den ersten Stock wie geplant als Wohnfläche, kommen wir mit Wintergarten auf sage und schreibe fünfhundertsechzig Quadratmeter Wohnfläche, wenn man davon ausgeht, dass noch vierzig Quadratmeter Wirtschaftsraum und vierhundert Quadratmeter Lager dort oben sind – denn sowohl Erdgeschoss als auch Keller haben jeweils das Doppelte – das weiß ich von Peter ziemlich genau – zweitausend Quadratmeter. Klar, der Laden hatte schätzungs-weise vierzig auf fünfzig Meter von außen gehabt. Dazu das Grundstück mit Bäumen und Wiese hintendran auf der Seite vom – damals abgebauten – Wintergarten und nebendran, an der Ostseite, noch mal das Bistro, jetzt ja mit Sauna und einer Grundfläche von zweihundert Metern je Ebene ... ziemlich groß. Und kein Wunder, dass die alle Pleite gemacht haben, denn so ein Projekt will vernünftig organisiert sein. Zum Glück hatte ich dank Peter einen perfekten Einblick in das Geschäft – und das Wissen darüber, welches geniale Organisationstalent mein bester Freund in sich barg.
Und genau so scheint es, denn die Idee, die ich gerade
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