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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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sie nicht mal eine richtige Mannschaft. Es waren Musiker, die bei einem Konzert im Haus der Kultur auftreten sollten, aber dann hatte man das Gastspiel kurzfristig abgesetzt, als herauskam, daß es Jazzmusiker waren. Also spielten sie statt dessen Basketball, doch ich konnte mir gut vorstellen, wie sie Musik gemacht hätten - wie schwarze Engel.«
    »Was für Musik haben Sie denn zu Hause gespielt?«
    »Rock. Wir hatten eine richtige Band auf dem Gymnasium, durften unsere eigenen Nummern schreiben und wurden nicht mal vom Kulturausschuß zensiert.«
    »Sie müssen sehr beliebt gewesen sein.«
    »Na ja, wir waren nicht gerade Anhänger der bestehenden Verhältnisse. Ich war eigentlich schon immer liberal eingestellt. Aber das verstehen die Idioten auf diesem Schiff ja nicht.«
    »Haben Sie Sina auch bei einem Ihrer Konzerte kennengelernt? Oder in dem Restaurant, wo sie damals arbeitete?«
    »Nein, weder noch. Kennen Sie Wladiwostok?«
    »Ungefähr so gut, wie ich Leningrad kenne.«
    »Ich hasse Wladiwostok! Na, jedenfalls gehört zum dortigen Stadion ein Stück Strand, wo im Sommer alles in hellen Scharen hinpilgert. Sie kennen das sicher: ein Pier voller Handtücher, Luftmatratzen, Schachbretter, dazu ausgelaufene Sonnencreme und eine Fleischparade, wie sie sich tunlichst nie in entblößtem Zustand zeigen sollte.«
    »So was gefällt Ihnen also nicht?«
    »Nein, wirklich nicht! Ich habe mir statt dessen ein Segelboot gemietet, eine Sechs-Meter-Yacht, und bin damit in der Bucht rumgekurvt. Sehr weit raus darf man nicht, wegen der Flotteneinfahrt. Aber man ist trotzdem weg von dem Trubel, denn die meisten Badegäste gehen bloß bis in hüfttiefes Wasser, und weiter als bis zu den Bojen oder gar an den Bademeistern in ihren Ruderbooten vorbei wagt sich praktisch niemand. Schon der Geräuschpegel am Ufer macht einen wahnsinnig, all das Gekreische und Geplansche und dazwischen die Trillerpfeifen der Bademeister. Auf meinem Boot konnte ich dem allen entkommen. Ein Mädchen allerdings schwamm so weit hinaus, daß sie mir einfach auffallen mußte. Ich nehme an, sie ist eine ganze Strecke getaucht, um den Bademeistern zu entwischen. Ich sah ihr eine ganze Weile zu und ließ mich so ablenken, daß ich beinahe zu hoch an den Wind ging. Ein Seil hing über Bord, das schnappte sie sich und zog sich daran an Deck, geradeso, als hätten wir das Treffen verabredet. Sie legte sich auf die Bank, um auszuruhen, und nahm ihre Badekappe ab. Damals hatte sie noch dunkles Haar, fast schwarz. Sie wissen doch, wie Wassertropfen in der Sonne perlen, nicht? Es sah aus, als sei sie mit lauter kleinen Diamanten übersät. Sie lachte, als sei es für sie die natürlichste Sache von der Welt, auf ein fremdes Boot zu klettern und mit jemandem herumzusegeln, den sie noch nie im Leben gesehen hatte. Wir blieben den ganzen Nachmittag draußen. Sie wollte, daß ich mit ihr in eine Disko ging, aber wir müßten uns dort treffen; sie wollte nicht, daß ich sie zu Hause abholte. Dann sprang sie zurück ins Wasser und war wieder verschwunden.
    Nach der Disko machten wir noch eine Wanderung zu den Hügeln. Wir trafen uns fast täglich, aber sie erlaubte mir nie, sie abzuholen oder nach Hause zu bringen. Ich nahm an, sie wohne in ärmlichen Verhältnissen und schäme sich deswegen. An ihrem Akzent merkte ich natürlich, daß sie aus Georgien stammte, aber das störte mich nicht. Ich konnte mit ihr über alles reden, und sie schien mich zu verstehen. Im nachhinein wird mir klar, daß sie nie von sich gesprochen hat, außer daß sie mir erzählte, sie besäße eine Seefahrtslizenz und wolle mit mir auf der Polar Star anheuern. Sie hat mich zum Narren gehalten, und ich bin ihr in die Falle gegangen. Sina hat jeden Mann zum Narren gemacht.«
    »Wer hat sie Ihrer Meinung nach getötet?«
    »Praktisch kommt dafür jeder in Frage. Ich hatte nur Angst, eine Untersuchung würde früher oder später auf meine Spur führen, womit ich wohl nicht nur ein Narr, sondern obendrein noch ein Feigling bin. Habe ich nicht etwa recht?«
    »Doch, Sie haben recht. Sagen Sie, das Wasser in der Bucht von Wladiwostok, war das sehr kalt?«
    »Draußen, wo sie geschwommen ist? Eisig.«
    »Sie haben mir doch bei anderer Gelegenheit gesagt«, forschte Arkadi weiter, »daß dies erst Ihre zweite Seereise ist.«
    »Ja. das stimmt.«
    »Sind Sie beim erstenmal auch mit Martschuk gefahren?«
    »Ja.«
    »Ist sonst noch jemand auf der Polar Star, den Sie von Ihrer ersten Reise her

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