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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Hess anvertrauen«, sagte Arkadi, der es eilig hatte, aus dem Funkraum herauszukommen. »Dann werden wir ja sehen, was weiter geschieht.«
    »Wir haben doch letztesmal über Geld gesprochen«, sagte Nikolai hastig. »Und ich habe Ihnen gesagt, daß Sina von mir nie welches verlangt hat. Aber etwas anderes ist mir eingefallen. Sie wollte, daß ich ihr eine Spielkarte bringe, eine Herzdame. Nicht als Bezahlung, eher als .«
    »Als Souvenir?«
    »Ich bin zum Offizier für Freizeitgestaltung gegangen und habe ihn um ein Kartenspiel gebeten. Können Sie sich vorstellen, daß wir für die ganze Mannschaft nur ein einziges Spiel an Bord haben? Und in dem fehlte ausgerechnet die Herzdame. So wie er gegrinst hat, war mir klar, daß er Bescheid wußte.«
    »Und wer war der zuständige Offizier?« fragte Arkadi, obwohl für diese niedrigste Offiziersfunktion nur ein einziger Name in Frage kam.
    »Slawa Bukowski.« Wer sonst?
    Arkadi fand Slawa im Schatten seiner oberen Koje sitzend, wo er, die Kopfhörer eines Walkman übergestülpt, auf dem Mundstück eines Saxophons blies und mit den bloßen Füßen den Takt dazu schlug. Arkadi setzte sich still an den Tisch inmitten der Kabine, wie jemand, der in ein Konzert hineinplatzt, die Vorstellung aber nicht stören will. Nur die Schirmlampe am Schreibtisch brannte, aber deren schwacher Lichtschein genügte ihm schon, um die für eine Offizierskabine übliche Einrichtung zu erkennen. Da waren einmal der Schreibtisch und die Bücherborde, dann ein hüfthoher Kühlschrank und eine Uhr unter einem wasserdichten Glassturz, als ob Slawas Kabine am ehesten Gefahr laufe, überflutet zu werden. Arkadi ermahnte sich, nicht zu selbstsicher aufzutreten; bis jetzt hatte Slawa jegliche engere Beziehung zu Sina erfolgreich vor ihm verborgen gehalten. Das Bücherbord füllten die üblichen Ratgeber für beliebte Spiele und empfohlenes Liedgut, die einem Unterhaltungsoffizier als Leitfaden dienten. Daneben standen allerdings auch dicke Wälzer über Lenin und über Dieselantrieb im Regal, denn der Zweite Maat, der mit Slawa die Kabine teilte, büffelte für die Prüfung, um zum Ersten Maat aufsteigen zu können.
    Slawa blähte die Backen, schloß die Augen, wiegte seinen Oberkörper hin und her und entlockte dem Mundstück seelenvolle Töne. Im Kalender auf dem Schreibtisch steckte ein Wimpel, und davor stand ein Foto, auf dem eine Jungengruppe ein Motorrad umringte; Slawa saß im Beiwagen. An der Wand klebte die Liste der Parolen zum diesjährigen Maifeiertag. Nummer 14: »Werktätige des agrarindustriellen Bereiches! Ihr habt die patriotische Pflicht, euer Land rasch und zügig mit Lebensmitteln in ausreichendem Maße zu versorgen!«, war dick unterstrichen.
    Der Dritte Maat nahm die Kopfhörer ab, quetschte einen letzten klagenden Ton aus dem Mundstück, ließ es dann sinken und bemerkte endlich, daß Arkadi hereingekommen war. »Back in the U.S.S.R.«, sagte er. »Die Beatles.«
    »Ich hab’s erkannt.«
    »Ich kann jedes Instrument spielen. Nennen Sie mir eins.«
    »Zither.«
    »Nein, ein normales.«
    »Laute, Leier, Steeldrums, Sitar, Panflöte?«
    »Sie wissen schon, was ich meine.«
    »Akkordeon?«
    »Ja, sicher! Und Synthesizer, Schlagzeug, Gitarre.« Slawa sah Arkadi mißtrauisch an. »Was wollen Sie eigentlich hier?«
    »Erinnern Sie sich noch an die Kiste mit Sinas Sachen, die Sie aus ihrer Kabine geschafft haben? Hatten Sie Gelegenheit, das Ringheft mit ihren persönlichen Notizen durchzublättern?«
    »Nein, dazu hatte ich keine Zeit, weil ich noch am selben Tag an die hundert Leute verhören mußte.«
    »Die Kiste steht noch auf der Krankenstation. Ich war eben dort und habe das Heft jetzt gründlicher auf Fingerabdrücke überprüft als beim erstenmal. Und da habe ich außer Sinas auch Ihre entdeckt. Ich habe sie mit denen auf dem Abschiedsbrief, den Sie gefunden haben, verglichen.«
    »Na schön, ich habe also in ihrem blöden Heft geblättert. Dumm für Sie, daß Sie mich das nicht vor Zeugen gefragt haben. Aber nun will ich Sie mal was fragen: Warum rennen Sie eigentlich immer noch auf dem Schiff herum und denken allem Anschein nach nicht mal daran, sich an Ihrem Arbeitsplatz in der Fabrik zu melden?«
    »Im Moment haben wir nicht viel Fisch zu säubern. Meine Brigade wird mich nicht vermissen.«
    »Warum pfeift der Kapitän Sie nicht zurück?«
    Darüber hatte Arkadi auch schon nachgedacht. »Tja, ich denke, das ist ein bißchen wie im >Revisor<. Sie erinnern sich? Das Stück von

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