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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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kennen?«
    »Nein.« Slawa überlegte. »Das heißt, keiner von den Offizieren. Pawel und Karp waren allerdings schon beim erstenmal dabei. Sagen Sie, Renko, bin ich in Schwierigkeiten?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Ich habe bisher noch nie ernsthaft Scherereien mit den Behörden gehabt. Dazu war ich einfach nicht mutig genug. Das ist etwas ganz Neues für mich, völlig andere Möglichkeiten tun sich auf. Was haben Sie jetzt vor?«
    »Ich gehe schlafen.«
    »Schon? Es ist doch noch früh.«
    »Ach, wissen Sie, wenn man in Schwierigkeiten steckt, kann selbst das Schlafengehen aufregend sein.«
    Draußen an Deck spürte Arkadi, wie das Schiff vor dem Wind trieb, was nur heißen konnte, daß Martschuk die Merry Jane an den Rand der Eisdecke geleitet, dann gewendet hatte und nun wieder nordwärts ins Eis zurücksteuerte. Im stetig fallenden Nieselregen schimmerte das Eis rings um die Polar Star wie das Blau eines elektrischen Feldes. Arkadi drückte sich in den Schatten, bis seine Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.
    Slawa hatte nichts über das Goldene Horn gewußt und kannte auch die Wohnung nicht, in die Sina Nikolai und Martschuk mitgenommen hatte, also hatte sie ihn von Anfang an gesondert behandelt. Keine lärmende Matrosenkneipe, keine Wohnung samt illegalem Waffenarsenal, nichts, wodurch der zartbesaitete Dritte Maat womöglich hätte abgeschreckt werden können. Sina hatte Slawa vielleicht wirklich bis zu dem Tage, an dem sie in sein Segelboot kletterte, nie gesehen - aber der Trawlmaster kannte ihn.
    Jeden Augenblick mußte Arkadi darauf gefaßt sein, daß Karp sich von einem Spannseil herunterschwingen oder aus einer Luke springen würde. »Ganz ruhig«, hatte er gesagt. Warum, fragte Arkadi sich, warum hat er mich noch nicht umgebracht? Mein Verstand oder mein Glück haben mich bestimmt nicht gerettet. Die Offiziere hielten sich vornehmlich im Ruderhaus auf, verschanzten sich dort in ihrem Reich der Ahnungslosigkeit; die übrigen Räumlichkeiten des Fabrikschiffs mit seinen schlecht beleuchteten Gängen und schlüpfrigen Decks waren die Domäne des Trawlmasters. Arkadi konnte unbemerkt verschwinden, wann immer Karp es verlangte. Jeder Tag seit Dutch Harbor war für ihn eine Gnadenfrist gewesen. Daß ich noch lebe, dämmerte ihm jetzt, verdanke ich wohl nur dem Umstand, daß Wladiwostok einen dritten ungeklärten Todesfall nicht hinnehmen würde. Falls noch ein Unglück geschah, würde man die Polar Star wahrscheinlich unverzüglich in den Heimathafen zurückbeordern. Wenn aber ein Schiff vorzeitig zurückkam, weil es unter irgendeinen Verdacht geraten war, wimmelte es bei seinem Eintreffen von Grenztruppen, und die Mannschaft mußte so lange an Bord bleiben, bis man den Kahn auseinandergenommen und Zentimeter für Zentimeter untersucht hatte. Trotzdem, Karp mußte ihn loswerden. Der Trawlmaster hatte sich zwischen zwei Übeln zu entscheiden. Offenbar grübelte er noch darüber nach, und er konnte sich getrost Zeit lassen, denn was konnte Arkadi dem Kapitän schon verraten, das nicht ihn selbst mehr als jeden anderen belastet hätte? Karp hatte ein von mehreren Zeugen bestätigtes Alibi dafür, wo er sich aufgehalten hatte, als der Erste Maat ums Leben gekommen war. Und doch, trotz jenes »Ganz ruhig« tastete Arkadi sich so vorsichtig von einem Lichtkegel zum nächsten, als gälte es, haarfeine Punkte miteinander zu verbinden.
    Die Mannschaft lag schon in ihren Kojen, und in Arkadis Kabine war nur Obidin noch wach.
    »Ich habe gehört, daß sie einen Frachter aus Wladiwostok schicken, der dich abholen soll, Arkadi. Andere behaupten wieder, du wärst von der Tscheka.« Tscheka war der alte, ehrwürdige Name für den KGB. »Und dann gibt es welche, die sagen, du wüßtest selbst nicht, wo du hingehörst.« Der Geruch von Selbstgebranntem Fusel stieg aus Obidins Bart auf wie Pollenduft aus einer Distel.
    Arkadi zog die Stiefel aus und kletterte in seine Koje. »Und du, was glaubst du?«
    »Daß sie allesamt Dummköpfe sind, was sonst? Das Geheimnis menschlichen Handelns läßt sich nicht nach politischen Kategorien definieren.«
    »Du hast nichts übrig für die Politik, was?« Arkadi gähnte.
    »Die schwarze Seele eines Politikers ist unerforschlich. Aber es dauert nicht mehr lange, dann stößt der Kreml mit jenem anderen Teufel zusammen.«
    »Welchem? Den Amerikanern, den Chinesen oder den Juden?«
    »Dem Papst.«
    »Maul halten!« ließ Guris Stimme sich vernehmen. »Wir versuchen zu

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