Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
Gogol? Ein armer Tropf kommt in die Stadt, und die braven Bürger halten ihn für einen Offizier des Zaren? Außerdem - ein Mord verändert eben alles. Keiner weiß so recht, was zu tun ist, besonders jetzt, da Wolowoi nicht mehr da ist. Solange ich die Vorschriften nicht kritisiere, kann ich sie für eine Weile ignorieren. Zumindest solange die anderen nicht wissen, wieviel ich weiß - diese Ungewißheit macht ihnen Angst.«
    »Es kommt also nur darauf an, daß man durchschaut, wann Sie bluffen?«
    »Genau das ist es.«
    Slawa setzte sich auf. »Ich könnte jetzt gleich auf die Brücke rausmarschieren und dem Kapitän melden, daß ein gewisser Seemann zweiter Klasse sich vor der Arbeit drückt, um die Mannschaft mit Fragen zu nerven, die zu stellen ihn niemand befugt hat.«
    »Es marschiert sich besser mit Schuhen an den Füßen.«
    »Das haben wir gleich!«
    Slawa schob das Mundstück in seine Brusttasche und sprang von der Koje auf den Boden hinunter. Arkadi griff, während der Dritte Maat sich die Stiefel anzog, nach einem Aschenbecher auf dem Schreibtisch. »Sie warten hier?« erkundigte sich Slawa.
    »Ich werde mich nicht von der Stelle rühren.«
    Slawa warf seine Trainingsjacke über. »Soll ich dem Kapitän sonst noch was ausrichten?«
    »Erzählen Sie ihm von sich und Sina.«
    Die Tür fiel hinter Slawa ins Schloß.
    Arkadi nahm ein Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche und fischte eine Schachtel Streichhölzer aus dem Becher mit Bleistiften auf dem Schreibtisch. Er betrachtete die Aufschrift auf der Schachtel: »Prodintorg« stand in verschnörkelten Lettern auf einer Schleife. Er wußte, daß die Prodintorg zuständig war für den Außenhandel mit Tieren und Tierprodukten - Fischen, Krabben, Kaviar, Rennpferden und dem Nachwuchs für zoologische Gärten in aller Welt -, ein Grossounternehmen mit freiem Zugang zu den Wundern der Natur. Arkadi hatte sich eben erst eine Zigarette angezündet, da kam Slawa auch schon zurück. Er schloß die Tür mit dem Ellbogen. »Was ist mit Sina?«
    »Ich sprach von Sina und Ihnen.«
    »Sie versuchen sich schon wieder als Rätselonkel.«
    »Nein, diesmal nicht.«
    Wer ein Leben lang einer bestimmten Autorität ausgeliefert war, den hat diese Situation irgendwann geprägt. Slawa setzte sich auf die untere Koje und vergrub sein Gesicht in den Händen.
    »O Gott! Wenn mein Vater das erfährt.«
    »Das wird vielleicht nicht nötig sein, aber mir müssen Sie die volle Wahrheit sagen.«
    Slawa hob den Kopf, seine Augenlider zuckten, und er holte stoßweise Atem, schien nicht genügend Luft zu bekommen. »Er würde mich umbringen.«
    Arkadi versuchte nachzuhelfen. »Ich glaube, ein- oder zweimal waren Sie nahe daran, mir alles zu erzählen, aber ich war scheinbar nicht in der Lage, Ihre Andeutungen zu verstehen. Zum Beispiel ist es mir nicht gelungen, herauszubringen, wer Sina den Posten auf diesem Schiff verschafft hat. Nur wenige dürften dafür über den nötigen Einfluß beim Flottenkommando verfügen.«
    »Auf seine Art versucht er natürlich, mir zu helfen.«
    »Ihr Vater?« Arkadi hielt die Streichholzschachtel hoch. »Er ist stellvertretender Minister.« Slawa schwieg einen Moment. »Sina war ganz versessen darauf, auf dieses Schiff zu kommen, angeblich, um in meiner Nähe zu sein. Daß ich nicht lache! Kaum hatten wir den Hafen verlassen, war alles vorbei, als hätten wir uns nie gekannt.«
    »Ihr Vater arrangierte es also, daß Sie selbst auf die Polar Star kamen, und gab dann auf Ihre Bitte hin Befehl, auch Sina an Bord zu nehmen?«
    »O nein, er befiehlt nie irgendwas, er ruft einfach den Hafenmeister an und erkundigt sich, ob gute Gründe dagegen sprechen, daß irgend jemand auf einen bestimmten Platz versetzt oder irgendwas so oder so geregelt wird. Er läßt lediglich verlauten, daß der Minister daran interessiert sei, und den Wink versteht jeder. So erreichte er alles: die richtige Schule, die richtigen Lehrer, einen Dienstwagen, der mich nach Hause brachte. Das erste Zeichen der Umstrukturierung, das wir zu spüren bekamen, war sein Unvermögen, mich in der baltischen Flotte unterzubringen, es reichte nur für den Pazifik. Darum haßt Martschuk mich ja auch so.« Slawa starrte auf den Schreibtisch, als säße dort ein Geist vor einer Batterie von Telefonapparaten. »Sie können das nicht verstehen. Sie haben ja nie so einen Vater gehabt.«
    »O doch, den hatte ich, aber ich habe ihn frühzeitig und gründlich enttäuscht. Wir alle machen Fehler«, versuchte

Weitere Kostenlose Bücher