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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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hatte erwartet, daß sie sich trennen würden, doch sie blieben dicht zusammen. Unten war das Netz an Pflöcken festgemacht; Maschenwerk und Stahl waren so fest aneinandergefroren, daß da auf kein schnelles Durchschlüpfen zu hoffen war. Vielleicht konnte er wie ein Affe am Netz empor und auf der anderen Seite wieder hinunterklettern? Nein, das würde ihm wohl kaum gelingen. Aber das Deck war glatt wie eine Rutschbahn. Wenn er einen seiner Verfolger niederschlug, würde der dann den anderen vielleicht mit zu Fall bringen?
    »Renko? Sind Sie das?«
    Der Schatten neben dem, der ihn angerufen hatte, riß ein Streichholz an. In der aufflackernden Flamme erkannte Arkadi zwei Gesichter mit gnomenhafter Stirn und ängstlichem, goldblitzendem Lächeln. Skiba und Slesko, die beiden Spitzel Wolowois.
    »Was wollt ihr von mir?« fragte Arkadi.
    »Wir sind auf Ihrer Seite«, sagte Slesko.
    »Die wollen Sie heute nacht erledigen«, fiel Skiba ein. »Ich hab gehört, wie sie sagten, Sie würden den morgigen Tag nicht mehr erleben.«
    Arkadi fragte: »Und wer sind >sie    »Das wissen Sie doch«, sagte Slesko in altehrwürdiger Sowjetmanier. Warum sich näher darüber auslassen?
    »Wir wissen immer noch, wie wir unsere Arbeit zu tun haben«, versicherte Skiba. »Es war bloß keiner mehr da, dem wir Meldung machen konnten.«
    Das Streichholz erlosch. Der Wind blähte das Netz wie ein Segel aus Eis.
    »Disziplin und Wachsamkeit sind futsch«, sagte Slesko. »Unser Meldeweg ist abgeschnitten. Um ehrlich zu sein, wir wissen nicht mehr weiter.«
    Skiba fuhr fort: »Sie müssen denen mächtig Angst eingejagt haben, denn sie suchen das ganze Schiff nach Ihnen ab. Wenn es sein muß, werden sie Ihnen in Ihrer eigenen Kabine den Hals durchschneiden. Oder sie erwischen Sie hier oben an Deck.«
    »Warum erzählen Sie mir das?« fragte Arkadi.
    »Nein, nein, Sie verstehen das falsch, wir erzählen nichts, wir erstatten Bericht«, korrigierte Slesko. »Wir tun nur unsere Pflicht.«
    »Soll das heißen, ihr macht mir Meldung?«
    Skiba nickte bekräftigend. »Wir haben uns das lange überlegt. Wir brauchen jemanden, dem wir Meldung machen können, und Sie sind der einzige, der die nötige Erfahrung hat, um ihn ersetzen zu können.«
    »Wen, ihn?«
    »Wolowoi, wen sonst?«
    »Wir dachten«, erklärte Skiba, »daß Sie womöglich sowieso von der zuständigen Behörde kommen, so wie Sie in den letzten Tagen aufgetreten sind.«
    »Und was wäre das für eine Behörde?«
    »Das wissen Sie doch!« rief Slesko.
    Ja, ich weiß, dachte Arkadi, der KGB. Es war verrückt. Skiba und Slesko hatten nur zu bereitwillig hinter ihm herspioniert und ihn als Volksfeind angeschwärzt, solange Wolowoi noch lebte. Doch nun, da er tot war, gebärdeten sie sich wie zwei Wachhunde, denen man plötzlich ihren Herrn geraubt hatte. Treue und Ergebenheit fehlten ihnen weniger als ein neuer Fisch, der am Haken zappelte. Nun, ein Bauer säte Korn, ein Schuster machte Schuhe, und diese beiden Spitzel brauchten eben einen neuen Wolowoi. Mithin hatten sie Arkadi einfach vom Opfer zum Herrn befördert. »Danke verbindlichst«, sagte Arkadi. »Ich werde eure Warnung beherzigen.«
    »Ich verstehe nicht, warum Sie die Kerle nicht einfach festnehmen«, wandte Skiba ein. »Es sind doch bloß einfache Arbeiter.«
    Slesko ergänzte: »Sie werden keine Ruhe haben, solange die frei rumlaufen.«
    »Und ich rate euch«, entgegnete Arkadi, »auf euren eigenen Hals achtzugeben.«
    Skibas Schatten ließ klagend den Kopf hängen. »Ach ja, in Zeiten wie diesen ist nichts und niemand mehr sicher.«
     
    Auf der Brücke strahlten die Scheinwerfer von Bug und Ruderhaus mitten hinein ins Schneegestöber, und so konnte das Auge einzelnen Flocken folgen, konnte eine oder zwei herausgreifen von den Millionen, die aus dem Dunkel gegen die Windschutzscheibe wirbelten. Die Scheibe war schon so oft mit heißem Dampf abgespritzt worden, daß sie in zartem Firnglanz schimmerte. Stetig und emsig fegten die Scheibenwischer den Schnee beiseite, doch schon setzte sich an den Rändern wieder eine Eiskruste fest, die beharrlich weiter vordrang. Im Grunde, dachte Arkadi, macht das gar nichts aus. Denn was gab es schon zu sehen, außer Nebel und Eis, auf einer Linie, die sich über den Pol bis zum Atlantik erstreckte?
    Die Deckenbeleuchtung war abgeblendet. Die Bildschirme von Radar und Echolot hatten einen grünen Hof. Der Kreiselkompaß schwamm in einem gleißenden Lichtkegel. Martschuk bediente das Ruder, Hess

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