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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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spielerisch auf- und zuschnappen ließ.
    »Ich hoffe immer wieder, daß die Dinge sich eines Tages ändern werden, Renko, daß das Leben ehrlich und geradlinig sein kann, daß jeder, der willens ist, hart zu arbeiten, auch einen guten Kern in sich hat. Natürlich sind die Menschen nicht vollkommen - ich nicht, und die anderen ebensowenig. Aber ich halte sie im Grunde für gut. Bin ich deswegen ein Narr? Sagen Sie mir, wenn wir wieder in Wladiwostok sind, werden Sie den Behörden dann Meldung machen über mich und Sina?«
    »Nein. Aber die werden Fotos von Offizieren und Mannschaft in dem Restaurant rumzeigen, in dem Sina gearbeitet hat, und die Angestellten dort werden Sie erkennen.«
    »Also bin ich so oder so ein toter Mann.«
    Nein, ich bin so oder so erledigt, dachte Arkadi. Karp und seine. Brigade werden mich jagen, bis sie mich zur Strecke gebracht haben. Von Martschuk war keine Hilfe zu erwarten, der war ganz vom Drama des blockierten Kabels gefangen. Und selbst wenn er sich ihm gewidmet hätte, wie sollte er erklären, warum Karp ihm immer noch ans Leben wollte, obwohl die verräterische Schmuggelware längst beseitigt war? Bestenfalls würde sein Bericht sich anhören wie der eines Wahnsinnigen. Wahrscheinlich aber würde man ihm den Mord an Wolowoi und dem Aleuten anhängen.
    »Wissen Sie, wie dieses Schiff geliefert wurde?« fragte Martschuk. »Wissen Sie, in welchem Zustand sämtliche Schiffe von der Werft kommen?«
    »Wie neu?«
    »Ach was, besser als neu! Die Polar Star ist auf einer polnischen Werft gebaut worden. Als sie übergeben wurde, da war alles komplett: Geschirr, Leinzeug, Vorhänge, Lampen, einfach alles, so daß man umgehend hätte in See stechen können. Aber dann kommt zuerst der KGB an Bord, dann die Vertreter der Ministerien, und sie kassieren das neue Geschirr und ersetzen es durch altes; sie nehmen Vorhänge und Leinzeug mit und vertauschen die hellen Glühbirnen durch trübe Funzeln, bei deren Licht man sich die Augen verdirbt. Sie gehen genauso vor, als würden sie systematisch ein Haus ausrauben. Die guten Leitungen werden herausgerissen und durch billige ersetzt. Sogar Matratzen und Türknäufe lassen sie mitgehen. Kurz gesagt, alles, was solide und brauchbar ist, wird durch Schrott ersetzt. Und dann übergeben sie das geplünderte Schiff der sowjetischen Fischereiflotte mit den Worten: >Genossen, stecht in See!< Ja, die Polar Star war ursprünglich ein schönes, ein gutes Schiff.«
    Martschuk senkte den Kopf, warf seine Zigarettenkippe auf den Boden und trat sie mit dem Absatz aus. »Tja, Renko, nun wissen Sie also, warum dieses Schiff auf Schneckenkurs dahinschleicht. Wollten Sie sonst noch was?«
    »Nein.«
    Der Kapitän starrte auf die mit Rauhreif überhauchte, gelblich-weiß angestrahlte Windschutzscheibe. »Zu schade, diese Fehde zwischen uns und der Eagle«, sagte er. »Das Jointventure ist eine gute Sache. Der andere Weg ist doch keine gangbare Alternative, oder? Der führt doch unweigerlich zurück in die Steinzeit - hab ich nicht recht?«
    Arkadi schlich durch den Korridor, der vom Brückenhaus zu den unteren Decks führte, ohne zu wissen, wohin er sich wenden sollte. Er konnte nicht einfach in seine Kabine zurück und dort warten, soviel war klar. Aber auch auf der Tanzfläche wäre er nun nicht mehr sicher. Dies war genau die Art Kerkersituation, die ein Urka wie Karp so meisterlich beherrschte. Die Lichter würden ausgehen, und wenn sie wieder aufflammten, würde er schon in einem mit Gewichten beschwerten Sack die Rampe hinuntergestürzt sein. Oder man würde ihn in einem leeren Bunkerschott finden, neben sich einen Farbeimer: wieder ein Süchtiger, der sich beim Schnüffeln übernommen hatte. Ein Fall, aus dem man moralische Lehren ziehen mußte.
    »Wir haben unser Spiel neulich nicht zu Ende gebracht«, sagte Susan.
    Arkadi trat einen Schritt zurück und auf ihre offene Tür zu. Er war ganz unachtsam daran vorbeigegangen, weil die Kabine im Dunkeln lag.
    »Nur keine Angst.« Susan schaltete das Deckenlicht gerade so lange ein, daß er die losen Drähte sehen konnte, die an Radio und Schreibtisch herunterhingen. Sie setzte sich auf die untere Koje, ihr Haar war feucht und zerstrubbelt. Sie schien eben aus der Dusche gekommen zu sein. Sie war barfuß, trug Jeans und darüber ein lose fallendes Jeanshemd. Ihre braunen Augen schienen auf einmal tiefschwarz. In der Hand balancierte sie ein randvolles Glas. Die Kabine roch nach Scotch. Am Schalter bei der Koje knipste

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