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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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hängen. Sein Laborkittel war mit Blut und Schleim besudelt. Als er sie kommen sah, hob er zwei Finger.
    »Noch zwei«, stieß er hervor und drehte das Gesicht wieder in den Wind.
    Ein leerer Raum oder ein Quell von zuviel Leben. Du hast die Wahl, dachte Arkadi.
    In gehobener Stimmung folgte Arkadi dem Dritten Maat zum Heck. Ihm war, als könnte er die Szenerie vor sich einatmen: eine einsame Gestalt an der Reling, im Mittelgrund ein Fangboot, tintenschwarze Wellen, die sich mit grauen Nebelschwaden vermischten. Eine willkommene Abwechslung nach der klaustrophobischen Atmosphäre unten in der Fabrik.
    »Sehen Sie sich gefälligst um«, befahl Slawa. »Angeblich sind Sie doch der Experte, also träumen Sie nicht.«
    »Richtig.« Arkadi blieb gehorsam stehen und drehte sich um. Viel zu sehen gab es allerdings nicht: Winschen und Klampen, angestrahlt von drei Scheinwerfern, die sogar am hellen Mittag wie giftige Monde glühten. In der Mitte des Decks befand sich ein offener Treppenschacht, der zu einem Absatz direkt über der Heckrampe führte. Heckrampen waren ein wichtiger Bestandteil des modernen Trawlerfischfangs: Die Rampe der Polar Star begann an der Wasserlinie und führte dann wie durch einen Tunnel bis hinauf zum Trawldeck auf der anderen Seite des Achterraums. Sichtbar war nur das Stück unter dem Schacht, und alles, was er auf dem Trawldeck ausmachen konnte, waren die Spitzen der Kräne und Ladebäume hinter dem Schornstein, um den sich Ölfässer, Ersatztaue und Ankertrossen stapelten. Auf dem Bootsdeck hingen Rettungsboote an Davits. Auf einer Seite lagen Gerätschaften zur Selbsthilfe in Notfällen: Brandäxte, eine Spitzhacke, Fischhaken und Spaten; als ob man ein Feuer bekämpfen könnte wie ein feindliches Heer, dachte er.
    »Na und?« fragte Slawa ungeduldig. »Nach Aussage des Mädchens wollte Sina hierher. Glücklich wie eine Märchenprinzessin, das hat sie doch gesagt.« Er stockte, blieb stehen und flüsterte Arkadi zu: »Susan.«
    »Suusan?« Das war mal ein Name wie geschaffen für die russische Zunge.
    »Scht!« Slawa wurde rot.
    Die Gestalt an der Reling trug eine Segeltuchjacke mit Kapuze, unförmige Hosen und Gummistiefel. Arkadi hatte sich stets von den Amerikanern ferngehalten. In die Fabrik hinunter kamen sie nur selten, und an Deck hatte er dauernd das Gefühl, man beobachte ihn, erwarte geradezu, daß er mit ihnen Kontakt aufnehmen würde und daß er, täte er es tatsächlich, nicht nur sich, sondern auch die Amerikaner kompromittieren würde.
    »Sie holt ein Netz rüber.« Slawa hielt Arkadi in respektvoller Entfernung zurück.
    Susan Hightower stand mit dem Rücken zu ihnen und sprach in ein tragbares Funkgerät. Es klang, als antworte sie der Eagle auf englisch und erteile der Brücke der Polar Star zwischendurch Anweisungen auf russisch. Das Fangboot näherte sich, sein Bug teilte die Wellen. Plötzlich hörte Arkadi unter sich ein Rasseln. Als er in den Treppenschacht hinunterblickte, sah er ein Ankertau mit verschrammten rot-weißen Bojen die gerillte, rostbraune Schräge der Rampe hinunterkollern. »Solange sie zu tun hat«, sagte er, »können wir uns ja schon mal mit den anderen unterhalten.«
    »Sie ist die Chefbevollmächtigte. Die Höflichkeit gebietet, daß wir zuerst mit ihr reden.«
    Höflichkeit? Da standen sie bibbernd an Deck, ohne daß man Notiz von ihnen nahm, aber Slawa bemühte sich krampfhaft um Einhaltung der Etikette.
    Auf dem Wasser straffte sich das Tau, während erst fünfundzwanzig, dann fünfzig und schließlich hundert Meter Kabel ausgerollt wurden. Jede Boje ritt auf ihrem eigenen Wellenkamm. Sobald die Leine voll ausgefahren war, drehte das amerikanische Boot nach Backbord bei und hielt sich dann auf gleicher Höhe neben dem Fabrikschiff.
    »Das ist einfach faszinierend!« rief Slawa begeistert.
    »Ja.« Arkadi drehte sich mit dem Rücken zum Wind. Auf dieser Länge gab es zwischen Nord- und Südpol weit und breit keinen Flecken Land, und jede Brise frischte rasch auf.
    »Sie wissen ja, wie dicht die Schiffe bei uns in der Flotte normalerweise auffahren, wenn der Fang übergeben wird«, fuhr Slawa fort. »Dabei ist schon so mancher Rumpf lädiert worden und …«
    »Ein lädierter Rumpf ist das Markenzeichen der sowjetischen Flotte«, fiel Arkadi ein.
    »Dieses >No-Contact<-System, das die Amerikaner uns beigebracht haben, das funktioniert tadellos, aber es ist komplizierter und erfordert mehr Geschicklichkeit.«
    »Wie Sex zwischen Spinnen«, sagte

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