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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Susan, ohne sich umzudrehen.
    Arkadi bewunderte die Manövriertechnik. Von dem amerikanischen Trawler warf ein Fischer mit sicherer Hand einen Landungshaken über die Schleppleine. Ein zweiter führte die Leine am Schandeckel vorbei zum Heck, wo ein prall gefülltes Netz das schmale Deck des Trawlers füllte. »Sie koppeln an«, meldete Susan auf russisch durchs Funkgerät.
    Wie Sex zwischen Spinnen? Ein interessanter Vergleich, dachte Arkadi. Eine Bogenleine war relativ dünn. Es galt nicht nur, die Distanz zwischen den Schiffen exakt zu beurteilen, sondern auch ihre meist gegenläufige Bewegung durch den Wellengang. Wenn die Fahrzeuge zu weit auseinandertrieben, konnte die Leine unter der Anspannung reißen; waren sie sich zu nah, kam das Netz entweder nicht vom Trawler hoch oder sackte wieder zurück aufs Deck, wo der vertikale Zug das Seil sprengen konnte und Gerätschaften und Fisch im Wert von rund hunderttausend Dollar, nach amerikanischem Kurswert, zum Teufel gehen ließ.
    »Wir holen ein«, sagte Susan, als das Netz vom Deck des Trawlers abhob. Schlagartig verlor die Polar Star unter dem Gewicht des Netzes einen halben Knoten Fahrt. Das Fangboot drehte ab, und gleichzeitig begannen die Winschen auf dem Trawldeck des Fabrikschiffs die Leine einzuholen.
    Susan streifte Arkadi nur mit einem flüchtigen Blick, als er neben sie an die Reling trat. Sie muß ganze Lagen von Pullovern und Hosen übereinandertragen, daß sie so unförmig aussieht, dachte Arkadi, denn sie hatte ein auffallend schmales Gesicht. Ihre Augen waren braun und wirkten jetzt so konzentriert wie die eines Mädchens, das eine Kür auf einem Schwebebalken absolviert und sich nicht im mindesten um das kümmert, was rings um sie vorgeht.
    »Fünfzig Meter«, sagte sie auf russisch.
    Möwen sammelten sich über ihnen. Arkadi fand es immer wieder rätselhaft, daß, wo eben noch kein einziger Vogel zu sehen gewesen war, im nächsten Augenblick gleich Dutzende auftauchten, als sei der Nebel ein Zaubermantel, dem sie entstiegen.
    Hinter dem Vorgeschwader der Bojen wogte das ankommende Netz mit naßschimmerndem, orange-schwarzem Plastikhaar auf die Polar Star zu. Ein Trawlmaster lief über Deck und rannte die Stufen des Schachts hinunter, um seinen Posten auf dem Absatz der Rampe einzunehmen. Das dünne Kabel tauchte straff und triefend aus dem Wasser. Bojen hüpften die Rampe hinauf. An seinem Stahlbügel wurde das Netz aus dem Wasser und über den unteren Rand der Rampe gehievt.
    »Jetzt vorsichtig nachlassen!« kommandierte Susan.
    Die Polar Star drosselte ihre Fahrt, bis das Schiff fast auf der Stelle stampfte. Es bedurfte äußerster Vorsicht, dreißig Tonnen Fisch einzuholen, die, sobald sie über Wasser kamen, ihr Gewicht fast verdoppelten. Nur eine Spur zuviel Spannung auf der Winsch, eine ruckhafte Vorwärtsbewegung des Schiffes, und das Seil würde reißen. Andererseits konnte der völlige Stillstand der Maschinen das Netz in die Schiffsschraube treiben lassen. Langsam, aber stetig manövrierte das Kabel seine Fracht bis auf halbe Höhe der Rampe, während das Schiff im Schrittempo dahintrieb. Wie erschöpft hielt das Netz in seiner Bewegung inne, Wasser schoß in Strömen heraus und spülte Krabben und Seesterne mit ins Freie.
    »Sie arbeiten also in der Fabrik?« wandte Susan sich an Arkadi.
    »Ja.«
    »Der geheimnisvolle Fremde aus der Unterwelt.«
    Slawa zog Arkadi zum Treppenschacht. »Stören Sie sie jetzt nicht.«
    Über das Geländer vor dem Schacht sahen sie unten den Trawlmaster winken, als die Stahlnetzsicherung an der Rampe hochging und zwei Männer mit Sturmhelmen, Schwimmwesten und Rettungsleinen um die Taille schwere Führungskabel hinunter zum Netz schleppten. Je näher sie dem Netz kamen, desto steiler neigte sich die Förderrinne dem Wasser entgegen. Ein Scheinwerfer im Schacht markierte die Stelle, wo die Rampe, gleich unter der Ausbauchung des Netzes, abrupt endete.
    Der erste der beiden Männer kam ins Rutschen, stieß einen Schrei aus und klammerte sich an die Rettungsleine. Es war der Matrose Pawel, die Augen vor Schreck weit aufgerissen.
    Der Trawlmaster oben auf dem Absatz rief ihm ermutigende Worte zu. »Mann, du torkelst da rum wie ein Besoffener beim Tanzen. Willst du vielleicht noch ein Paar Schlittschuhe?«
    »Karp«, sagte Slawa voller Bewunderung.
    Karps Sweater spannte sich über breiten Schultern. Er wandte den wuchtigen Schädel und zeigte grinsend seine Goldzähne. Er und seine Männer hatten eine

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