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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Extraschicht eingelegt; auch aus diesem Grund waren sie beim Ersten Maat besonders beliebt.
    »Wenn wir erst die Eisdecke erreicht haben«, brüllte er hinauf, »dann wird Pawel auf der Rampe erst richtig Schlittschuh laufen.«
    Arkadi fiel das halbgeflickte Netz ein, das er kurz vorher auf dem Trawldeck gesehen hatte.
    »Haben Sie Sina rausgeschnitten?« rief er zu Karp hinunter.
    »Genau.« Das goldblitzende Lächeln verschwand. »Was dagegen?«
    »Durchaus nicht.« Arkadi fand es einfach nur interessant, daß Karp Korobets, dieses Muster eines Trawlmasters, es riskiert hatte, ein teures amerikanisches Netz zu ruinieren, statt es wie gewohnt auszuleeren und zu warten, bis der Leichnam von allein herauskam.
    Unter ihnen bemühte sich Pawel, die Netzschließen zu entwirren, damit sein Kamerad die G-förmigen Haken des Führungskabels befestigen und so die Bojenleine entlasten konnte. Es war schon schlimm genug, wenn ein Kabel auf offenem Deck riß und davonschnellte; nicht auszudenken, was eine solche Panne im engen Tunnel der Rampe anrichten würde.
    »Waren Sie auch auf der Tanzgeschichte?« rief Arkadi zu Karp hinunter.
    »Nein«, brüllte Karp. »Übrigens, Renko, Sie haben immer noch nicht meine Frage beantwortet. Bei was für einer Sauerei hat man Sie damals geschnappt?«
    Arkadi hörte einen leichten Moskauer Akzent heraus.
    Susan drehte sich um. »Habt ihr da hinten ein Problem?«
    Im selben Augenblick verlor Pawel wieder den Halt; diesmal rutschte er auf dem Bauch bis halb über das Netz, ehe die Rettungsleine seinen Sturz bremsen konnte. Ein Brecher schwappte über die Rampe, riß das Netz hoch und ließ es dann langsam auf ihn niederrollen. Arkadi hatte erlebt, wie Männer auf diese Weise den Tod fanden. Das Gewicht blockierte die Atemwege, und außerdem wurde ein Teil des Netzes immer wieder von Wellen überspült. Pawels Kollege rief ihn an und zerrte am Rettungsseil, doch er war machtlos gegen die zwanzig Tonnen Fisch, unter die Pawel geraten war. Da half auch kein Schreien. Als der nächste Brecher hereinschlug, rollte das Netz noch heftiger hin und her, wie ein Walroß, das einen jungen Seehund zerquetscht. Das zurückflutende Wasser versuchte den Fang mit zurück ins Meer zu reißen, und sein Sog kappte die Rettungsleine.
    Karp hechtete vom Treppenabsatz hinunter aufs Netz - was bedeuteten bei zwanzig Tonnen schon zwei Zentner mehr? Der nächste Brecher tauchte ihn bis zur Taille in eiskaltes Wasser, doch er klammerte sich mit eiserner Faust ans Netz, während er mit der anderen Hand Pawel aus dem Plastiktang des Häckselhaars herauszerrte. Karp lachte. Als sich Pawel dann spuckend und pustend wieder aus eigener Kraft auf den Beinen haken konnte, hangelte sich der Trawlmaster vor zum Scherbrett und half, die G-förmigen Haken einzuklinken. Das ganze Rettungsmanöver hatte nur Sekunden gedauert. Worüber Arkadi am meisten staunte war, daß Karp auch nicht einen Augenblick gezögert hatte; er hatte so unvermittelt und schnell gehandelt, als erforderte die Rettung eines Menschenlebens nicht mehr Mut als eine Riesenwelle am Reck.
    Der Trawler glitt zurück ins Kielwasser der Polar Star, um die Ertragsmeldung seines Fanges abzuwarten - so viele Tonnen, davon so viel Seezunge, Krabben, Schlamm. Möwen umflatterten die Öffnung zur Rampe, auf jeden kleinen Fisch lauernd, der vielleicht noch durch die Maschen schlüpfte.
    »Einer von den Schleimputzern hat uns jetzt hier gerade noch gefehlt«, sagte Susan zu Slawa. »Bringen Sie ihn in meine Kabine.«
    Als die G-Haken alle festsaßen, beeilten sich Karp und seine Männer, wieder die Rampe heraufzukommen; Schritt für Schritt zogen sie sich an der einen noch verbliebenen Rettungsleine nach oben. Hinter ihnen kam das Netz in Bewegung. Die Polar Star hatte ein Plansoll zu erfüllen, fünfzigtausend Tonnen Fisch pro Reise - tiefgefrorene Filets, Fischmehl und Lebertran für eine Nation, die nach Proteinen lechzte, um die notwendigen Muskeln für den Siegeszug des Kommunismus auszubilden. Schätzungsweise zehn Prozent des gesamten Fanges gingen schon an Bord durch Gefrierschwund verloren, weitere zehn Prozent mußten nach der Landung als verdorben aussortiert werden, zehn Prozent wurden zwischen Hafenmeister und Flottenkommandant aufgeteilt, zehn Prozent gingen auf unbefestigten Straßen verloren, die in Dörfer führten, in denen es vielleicht einen funktionierenden Kühlschrank zur Rettung der weitgereisten Filets gab; vielleicht aber auch nicht.
    Kein Wunder

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