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Polar Star

Polar Star

Titel: Polar Star Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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also, daß das Netz so ungeduldig dem Trawldeck entgegenstrebte.
     
    Slawa bugsierte Arkadi übers Trawldeck nach vorn und mittschiffs an dem weißen Schuppen vorbei, in dem der Maschinist seine Werkstatt hatte. »Ist ihr Russisch nicht unglaublich?« fragte er. »Praktisch ohne Akzent. Susan ist eine fantastische Frau. Sie spricht unsere Sprache tatsächlich noch um etliches besser als diese Usbekin - wie heißt sie doch gleich?«
    »Dynka.«
    »Richtig, Dynka. Kein Mensch spricht heute mehr einwandfreies Russisch.«
    Was stimmte. Besonders Russen mit Blick nach oben benutzten das immer beliebtere »Politbüro-Ukrainisch«. Seit Chruschtschow sprach die Führungselite des Landes, die zumeist aus der Ukraine stammte, ein primitives, holpriges Russisch, was nach und nach dazu geführt hatte, daß im Kreml praktisch jeder, ob er nun aus Samarkand oder aus Sibirien kam, der Aussprache nach auch in Kiew hätte geboren sein können.
    »Sagen Sie doch mal Ihren Namen«, bat Arkadi.
    »Slawa.« Bukowski beäugte Arkadi mißtrauisch. »Ich weiß zwar nicht genau, was los ist, aber ich habe das Gefühl, Sie machen dauernd irgendwelche Anspielungen.«
    Auf dem dunklen Streif am Horizont, wo Nebel und Wasser zusammenflossen, tanzte das Licht eines anderen Fangbootes, das eben sein Schleppnetz ausgeworfen hatte.
    »Wie viele Fahrzeuge haben wir eigentlich bei uns?« fragte Arkadi.
    »Normalerweise eine Viererflotte: die Alaska Miss, die Merry Jane, die Aurora und die Eagle.«
    »Und die waren alle auf dem Fest?«
    »Nein, die Alaska Miss stand gerade vor einem Mannschaftswechsel, und die Aurora hatte Probleme mit dem Lenkgetriebe. Da wir für die Nacht den Fang bereits eingestellt hatten und sowieso als nächstes nach Dutch Harbor kommen, haben sie sich entschlossen, den Hafen schon früher anzulaufen. Auf dem Fest waren nur die Leute von den beiden Booten, die auch jetzt noch mit uns fahren.«
    »Ist die Band gut?«
    »Es gibt schlechtere«, antwortete Slawa diplomatisch.
    Das Vorderdeck teilte sich in einen Volleyballplatz und das Verladedeck, über das sie eben gingen. Das Spielfeld war eingezäunt. Trotzdem landete ab und zu ein Ball im Wasser; wenn das passierte, steuerte der Kapitän die Polar Star genau bis zu der Stelle zurück, wo sie den Ball verloren hatten, ein Manöver, das ungefähr so haarig war wie die Aufgabe, eine riesige Muttersau durch zähen Morast an einen bestimmten Platz zu bugsieren. Aber Volleybälle waren eben rar im Beringmeer.
    Die Amerikaner an Bord waren im Vorderhaus untergebracht, auf dem Deck unter den Offizierskabinen und der Brücke. Susan mußte jeden Augenblick kommen. Arkadi und Slawa trafen auf ihre drei Landsleute. Bernie war der sommersprossige Jüngling, den Arkadi und Wolowoi vor der Cafeteria getroffen hatten.
    Sein Freund Day trug eine Nickelbrille, die den puppenhaften Gelehrtenernst seiner Miene noch unterstrich. Beide trugen Jeans und Sweater, die zwar abgetragen, dennoch von deutlich besserer Qualität waren als die Kleidung der russischen Mannschaft. Lantz war von der Fischereiwirtschaft der USA als Beobachter entsandt, der dafür zu sorgen hatte, daß die Polar Star keine geschützten Arten an Bord nahm und sich an die vorgeschriebenen Bestimmungen hielt. Da er gleich Dienst hatte, trug er einen ölverschmierten Overall, ein kariertes Hemd mit Gummistulpen an den Ärmeln und an einer Hand einen Gummihandschuh; aus seiner Hemdtasche hing wie ein Taschentuch ein Operationshandschuh. Eine Zigarette im Mundwinkel, döste er vor sich hin und mußte sich wegen seiner Größe auf der kleinen in die Kabine eingebauten Bank förmlich zusammenrollen. Während sie auf Susan warteten, unterhielt Slawa sich mit den dreien auf russisch, so angeregt und unbefangen, wie es seiner Meinung nach unter Freunden, Alters- und Gesinnungsgenossen üblich war.
    Susans Kabine war an sich nicht sonderlich komfortabler als die Quartiere der Mannschaften. Immerhin, zwei Kojen statt vier, und als einzige Amerikanerin hatte sie den Raum für sich allein. In einer Ecke stand ein halbhoher ZIL-Kühlschrank. Es roch nach Pulverkaffee. Auf der oberen Koje eine Schreibmaschine, Aktenordner und in Kartons gestapelte Bücher - Pasternak, Nabokov, Blok. Arkadi sah russischsprachige Ausgaben, die sich in jeder sowjetischen Buchhandlung binnen Sekunden verkauft oder die in einer Moskauer Seitengasse für Hunderte von Rubeln den Besitzer gewechselt hätten. Kartons, die Gold wert waren. Und Susan konnte das alles

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