Polarfieber (German Edition)
niedergela s sen hatten, blieben in Thule .
Marc freute sich auf eine große Kanne Tee, auf blödsinnige Tal k shows im Fernsehen und auf ein frühes Schlafengehen. Sein Körper war inzwischen so sehr an das Leben hier angepasst, dass ihm die Polarnacht nichts mehr ausmachte. Nur noch selten dachte er an die Hektik in New York, an das Kreischen von A u tobremsen und die schrillen Stimmen hysterischer Frauen auf den Taxi-Rücksitzen. Er war froh, dem allen den R ü cken gekehrt zu haben.
Nive war zu H ause . Zuhause war eines der lang gestreckten G e bäude, die als Baracken für die Unterbringung von Piloten gebaut, aber in den Jahren danach umgebaut worden waren, um denen, die sich hier permanent niederließen, die Mö g lichkeit zu geben, ihre Familien bei sich zu haben. Entstanden waren zwei Reihenhäuser mitten zwischen den Truppenquartieren. Nur wenige der Permane n ten muteten ihren Familien das Leben hier oben zu. Marc war einer von ihnen, denn für Nive war das Leben auf dem Stützpunkt keine Zumutung, sondern geradezu Luxus. Sie stammte aus Siorapaluk, der nördlich s ten Siedlung weltweit, deren etwa fünfzig Einwohner ihr Leben auf die urtümlichste Weise aus dem Eis schnitzten. Ein Pro b lem war nur die Ausbildung der Kinder, denn eine Schule gab es auf der Basis nicht. Einer der jüngeren Offiziere mit Hochschulabschluss unterrichtete die wenigen So l datenkinder in einem Nebenraum der Halle in englischer Sprache.
Marc und Nive hatten mittlerweile vier Kinder . Das fünfte wuchs im Bauch seiner Frau. Der Älteste, S i mon, war jetzt zehn, in wenigen Jahren würde er auf eine Internatsschule in Nuuk wechseln. Nive wollte nicht, dass ihre Kinder Soldaten wurden . Sie wollte, dass sie dieselben Möglichkeiten hatten , wie alle Ki n der in Grönland.
Sie empfing ihn mit einem warmen Lächeln. „ Feierabend? “
Er schloss die Tür hinter sich und brummte zustimmend. Im Haus duftete es nach Gebackenem , der Wasserkocher br o delte schon. Nive schien hellsichtig . Sie konnte zwar nicht in die Z u kunft sehen, wusste aber instinktiv, wann er auf dem Weg nach Hause war.
Er legte seine Hände auf ihren Bauch. „ Wie geht es dir? “
„ Er schläft. “ Sie lächelte. „ Weck ihn nicht auf. “
Marc ließ sich am Küchentisch nieder und sah seiner Frau zu, wie sie das süße Rosinenbrot aus dem Ofen holte. „ Wo sind die Ki n der? “
„ Draußen, genießen den Schnee. “ Sie zwinkerte ihm zu. „ Ist Silas abgeflogen? “
„ Vor knapp einer Stunde. “
Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. „ Ging es ihm gut? “
„ Er war fit. Warum fragst du? “
„ Er hatte nicht zu viel getrunken? “
„ Die zwei Bier von gestern Abend hat er weggeschlafen. Hast du ihn nicht schnarchen gehört? “
Ihr Kichern war kurz und ein bisschen abwesend. Marc runzelte die Stirn. „ Was ist, Nive? “
„ Nur so ein Gefühl. Hast du den Hubschrauber für ihn fertig g e macht oder jemand ander e s? “
„ Ich hab ihn fertig gemacht. Sie haben im Hangar Drei noch e i ne Zwischenwartung durchgeführt, weil er gestern in den Sturm bei Qaanaaq geraten ist . Sie haben alles enteist und bei der Ko n trolle zwei oder drei Schrauben am Rotor und die Sensoren für den Ente i ser ausgewechselt , weil die Daten fehlerhaft waren. Aber die Pre Flight Checks heute früh habe ich gemacht. Es war alles in Or d nung. “
„ Hat er selbst auch nochmal kontrolliert? “
„ Das macht er doch immer. “ Er erhob sich und trat hinter sie. „ Was ist los , Nive ? “
Sie sah ihn nicht an. „ Wann ist er losgeflogen? “
„ Vor etwa einer Stunde, sagte ich doch. “
„ Wann genau? “
Marc sah zur Uhr. „ Anderthalb Stunden etwa. Der Helikopter hob ziemlich genau drei Minuten nach Mittag ab. “
„ Nach Upernavik? Das ist knapp mit dem Benzin, nicht wahr? “
„ Silas ist ein erfahrener Pilot. Das Benzin reicht bei gutem We t ter für rund hundert Kilometer mehr. Er weiß, was er tut. “
„ Der Hubschrauber war vollgetankt? “
Er packte sie an den Schultern und drehte sie zu sich um. „ N i ve, du machst mich nervös. Was hast du? “
„ Wenn ich … wenn ich den Kuchen für dich warm halte, Marc, gehst du dann zurück in die Funkzentrale und … wartest dort, bis Silas sicher in Upernavik gelandet ist? “
„ Verfluchte Scheiße! “ Er stürmte zur Vordertür hinaus und mac h te sich im Laufschritt auf den Weg zur Kommandozentrale.
*
Beim Aufwachen pfiff Schmerz durch ihre Ohren und Luft
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