Polarfieber (German Edition)
Seine plötzliche Schweigsamkeit war ihr a l so nicht entgangen. Er erwiderte den Blick nur knapp und hob e r neut sein Glas. „ Gute Nacht, Kaya. “
Ihre Verabschiedung von Marc fiel freundlicher aus, aber immer noch distanziert. Silas hatte den Eindruck, dass ihr Duft noch eine Weile im Raum hing , auch wenn er nicht festmachen konnte, woran er ihn erinnerte. An Eis und kalten Wind vielleicht. An das Seehun d fell womöglich, mit dem ihr Anorak gefüttert war.
Er trank sein Bier aus und schwieg. Ein Freund von Marc g e sellte sich zu ihnen, ein Kerl, den er flüchtig kannte. Die Bedi e nung fragte, ob sie ihm noch ein Bier bringen dürfe. Er winkte ab und konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen.
„ Was ist denn mit dir los? “ , wollte Marc wissen.
„ Ich werd e heiraten “ , sagte er.
„ Wie bitte? “
„ Ja. “ Er nickte feierlich. Zwei Bier, aber er hatte so ein leichtes G e fühl im Kopf, als sei er betrunken. „ Habe ich soeben beschlo s sen. “
„ Du hast mir mal gesagt … “
„ Das war vorher. “
„ Vor was? “
„ Bevor alles anders wurde. Kennst du das nicht? So eine mon u mentale Sinneswandlung? Ich wette, du hattest das mit Nive auch. “
„ Mit Nive hatte ich das Gefühl, dass es schöner ist, wenn einem immer dasselbe weiche Mädchen das Bett wärmt. Außerdem wurde es Zeit, Kinder in die Welt zu setzen, also hab e ich sie g e heiratet. Von monumental kann keine Rede sein. “
Silas ließ sich vom Barhocker rutschen, das Lächeln wie im G e sicht festgeklebt. „ Dann, alter Freund, tust du mir leid. Solltest mal drüber nachdenken. Monumental, alles andere ist Hüttenk ä se. “
„ Hüttenkäse? “
„ Labberig, voller Klumpen und schmeckt nach nichts. Hüttenk ä se. “ Silas nickte erneut. „ Monumental, Marc, oder gar nicht. Ich werde Kaya Motzfeldt heiraten. Warte drauf. Ich lad dich ein. “
„ Das will ich sehen. Die Frau macht Kleinholz aus dir. “
„ Es gibt kein Holz in Grönland. Gute Nacht. Machst du mir mo r gen früh den Chopper klar? “
„ Vielleicht wenn die monumentalen Schenkel von Nive mich rechtzeitig entlassen, du alter Schwerenöter. Schlaf gut. Sag Nive, ich bin in einer Stunde zu H ause. “
„ Ich richte es aus. “
*
Der Flug am nächsten Tag begann ruhig und ereignislos.
Silas hatte seinen roten Funktionsanorak gegen die formellere anthrazitfarbene Thermo-Uniform der Airline getauscht. Stolz prangten die vier goldenen Streifen, die ihn als Kapitän der Flugg e sellschaft auswiesen, auf den Schulterklappen. Einziges Zug e ständnis an seine sonst so lockere Art war die braune Fliegerbrille auf seiner Nase. Kaya mutmaßte, dass die Tatsache, dass sie heute Abend von einem offiziellen Chauffeur der grönländischen Regierung am Flu g hafen von Nuuk abgeholt werden würden, diesen Imagewechsel hervorgerufen hatte.
„ Also , f olgendermaßen sieht unser Plan aus “ , riss Silas sie aus i h ren Gedanken und hielt ihr ein Klemmbrett unter die Nase, kaum dass sie den Shuttle bestiegen hatten, der sie zu seinem Hubschra u ber bringen würde. „ Wir nehmen von hier Kurs auf Upernavik. Auf einen Rutsch schafft der 350er die Distanz bis Nuuk nicht. “
„ Der 350er? “ Er sprach Hubschrauber und mal wieder hatte sie keine Ahnung, wovon er redete.
„ Der Eurocopter AS350. So heißt der Chopper offiziell. Er hat e i ne Maximalreichweite von gut sechshundertfünfzig Kilometern. Nach Nuuk sind es über sechzehnhundert Kilometer Luftlinie. “
„ Dann müssen wir aber doch zweimal tanken, oder? “
„ Unsere Flugroute führt über Upernavik und Ilulissat. Je nach Wetter müssen wir vielleicht in Ilulissat übernachten, aber ich hoffe, dass wir heute noch, wenn auch mitten in der Nacht, in Nuuk sein werden. “
Kaya seufzte. Stunde um Stunde im beengten Raum eines Cockpits war nicht ihre Vorstellung von Spaß. Doch zumindest das erste Ziel ihres langen Weges hatten sie erreicht.
„ Alles klar für die Reise? “ Silas lächelte ihr zu, als er neben ihr aus dem gelben Geländewagen kletterte. Der Hubschrauber stand in einem der vielen Hangars, die sich über das gesamte Flugh a fenareal der Air Base verteilten. Mit skeptischer Miene sah sie durch das g e öffnete Rolltor in den Himmel. Im Gegensatz zu gestern war dort keine einzige Flocke zu sehen. Nur dieses dämmerige Grau, durc h brochen vom Licht vereinzelter Sterne. Z u hause in Qaanaaq wären es unzählige, aber hier auf dem amerikanischen Stützpunkt konku
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