Polarfieber (German Edition)
Inuit. Jahrhundert e lang bewährt und so warm, dass kein noch so teures Mischgewebe ihr Konkurrenz machen konnte. Vielleicht hatte die Hose, die Nive für ihren Bruder gemacht hatte, Silas das Leben gerettet. Nun frö s telte sie doch.
„ Esst. Und schlaft. Ich muss das Wasser bewegen und die Le i nen werfen, sonst bleibt nicht mehr genug Zeit für die Butts , zu beißen. “
Der Heilbutt war schon immer das Hauptnahrungsmittel ihres Volkes. Man aß ihn roh , getrocknet, gefroren, direkt aus dem Fisc h leib geschnitten oder zu einem schw e ren Eintopf gekocht. Aber nichts ging über Wal. Das Fleisch der Meeressäuger war fest und fettig, nährte in langen Wintern und wärmte nicht nur den Kö r per, sondern auch die Seele. Mit ein wenig Glück vertrieb es sogar Silas ’ Fieber. Dankbarkeit gegenüber Issitoq, der sie nicht kannte und doch so freundlich zu ihnen war, durchspülte sie.
Kaya trat vor den kleinen, stämmigen Mann und senkte den Kopf. „ Wir stehen tief in deiner Schuld. “
Er schnaubte. „ Schuld ist was für Europäer . Du bist eine von uns. Du müsstest es besser wissen. “
Selten hatte sie sich so getadelt gefühlt. Weil sie nicht wusste, was sie sonst machen sollte, nahm sie Issitoqs Hand und drückte sie ei n mal kurz. Ledrig und rau presste sich seine Haut an ihre. „ Dann lass mich dir einfach nur danken. “
Ohne ein weiteres Wort entzog sich Issitoq ihrem Griff, streifte ein paar Fäustlinge über und verschwand hinaus in die Kälte. Eine Windböe riss an den dünnen Hol z planken, trieb wirbelnd Schnee und Eis in die Hütte. Was für erbärmliche Stunden ihnen bevorg e standen hätten, hätte Issitoq sie nicht aufgegriffen . S ie zog die Ä r melaufschläge ihres Pullovers über die Finger und verschränkte die A r me vor der Brust. Vor Silas ging sie auf die Knie. Halb lag er auf den Fellen, halb saß er an der Wand. Er zitterte . Sie wollte ihm eine Haarsträhne aus der Stirn streichen und zuckte zurück.
„ Verdammt, Silas, du glühst. Seit wann geht das schon so? “
Flatternd öffneten sich seine Lider. Sie hatte schon vorher g e wusst, dass er nicht schlief.
„ Nichts S chlimmes. “ Mit einer fahrigen Bewegung zuckte er vor ihrer Berührung zurück und versuchte, sich weiter aufzuric h ten. Es sah erbärmlich aus.
Resolut drückte sie ihn wieder auf das Lager. „ Hab e ich dir schon mal gesagt, dass ich Helden hasse? Kannst du mir verraten, was das dort draußen für eine Aktion war? Du hä t test sterben können. “
„ Musste dich retten. “
Sie schnaubte. „ Zieh dich aus und halt den Mund. Da kommt momentan eh nichts Vernünftiges raus. “
Wie er es schaffte, trotz seines Fiebers auf derart spöttische Weise die Mundwinkel zu heben, würde ihr wohl ein Rätsel ble i ben. „ Wenn du mich nackt willst, hättest du es nur sagen müssen , Baby. “
Schlagartig wurde ihr Mund trocken. Hitze stieg in ihre Wa n gen. Wie machte dieser Kerl das? Himmel nochmal, ein halb toter Mann konnte gar nicht einen solchen Effekt auf sie haben. Es war aber nicht nur sein Aussehen. Das hatte in den letzten Tagen tatsächlich zie m lich gelitten. Es war die Art, wie er sich um sie gekümmert hatte . Die Nachsicht, mit der er ihre Fehler verzieh und dabei gleichzeitig nie auch nur um einen Deut zurückwich. Er war ein Mann voller Gegensätze. B einah hätte sie ihn im eiskalten Wasser verloren. Schnell wandte sie sich ab.
Um ihren Händen etwas zu tun zu geben, ging sie zum Gask o cher und rührte im Topf. Dicke Fettaugen schwammen auf dem Garwa s ser. Die reinste Kraftbrühe. Auf der Ablage fand sie eine Schüssel. Ein einzelner Löffel lag auch dort. Über das leise Blubbern der Su p pe , das Surren des Generators für den Heizlüfter und das Rauschen des Windes vor dem Haus hörte sie das nasse Geräusch von Kle i dern, die über feuchte Haut gezogen wurden. Sie schöpfte eine o r dentliche Portion Fleisch in die Schüssel, bevor sie den Topf vom Herd nahm und so viel Brühe über die Walbr o cken goss, bis das Fleisch bedeckt war.
Mit der Schüssel in der Hand drehte sie sich zu ihm um. Den Schla f sack bis unter die Achseln gezogen, um die Schultern das Fell von Issitoq, zeigte sich nur ein schmaler Streifen Haut zw i schen all dem Stoff. Cremeweiß wie Sahne. Köstlich. Fokus, Kaya. Fokus. Der Mann ist völlig hinüber .
Erneut ging sie neben ihm in die Hocke und hielt ihm den Ei n topf unter die Nase. Als er danach greifen wollte, zog sie die Schüssel zurück. „
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